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1575 - Der Gesang des Lebens

Titel: 1575 - Der Gesang des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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in seiner Vorstellung nahe an ihn heran.
    All die anderen existierten nicht mehr, nur er, der Lebensstein - und die beiden Bewußtseinsinhalte des Domes, Miic Deinen und Versa Cameen.
    Sie lockten ihn.
    Sie spürten seine Unsicherheit, und sie versprachen so viel, daß seine Ängste dahinschmolzen. Es konnte so leicht sein. Diese Übelkeit in seinem Innersten ... Würde er gegen den vierten Naado nicht mit aller Macht ankämpfen, er hätte wahrscheinlich nichts gespürt als eine alles verdrängende Euphorie. Lanaas Melodie hätte jede Bedrohlichkeit verloren, jeder Ton hätte ihn lediglich dem erwünschten Schicksal näher gebracht.
    So aber erlebte er schlimme Qual.
    Und plötzlich mischten sich falsche Töne in den Gesang.
    Salaam Siin durchfuhr ein heftiger Schmerz. Seine Atemwege fühlten sich ausgedörrt an, wie in viel zu heißem Klima, sein Kreislauf schwankte und wäre fast ganz zusammengebrochen.
    Da war der falsche Ton wieder.
    Eigentlich handelte es sich mehr um eine falsche Psi-Frequenz - denn eine akustische Quelle hätten die versammelten Singlehrer binnen Sekundenbruchteilen geortet. Aber nein, der Störer war inmitten des Bogens nicht auszumachen.
    Qion Lanaa fuhr seinen Hals auf volle Länge aus und starrte in die Runde. Doch keiner der Ophaler machte die geringste verdächtige Bewegung.
    Kurz entschlossen stockte Lanaa mitten im Gesang. Von einer Sekunde zur anderen herrschte entsetzte Ruhe im Dom. „Wer da mit Absicht falsch singt, soll vortreten und seine Gründe nennen! Aber ich dulde nicht, daß diese wichtigste Stunde seit Jahrhunderten gestört wird! Ich werde euch notfalls alle aus dem Dom werfen lassen!
    Dann führe ich die Zeremonie allein zu Ende!"
    Tumult brach aus. Niemand hatte sich gemeldet, natürlich nicht. Deshalb wandten alle anwesenden Ophaler hektisch die Köpfe und versuchten, den Störenfried auf diese untaugliche Art ausfindig zu machen.
    Lediglich Salaam Siin nutzte die Zeit auf seine Weise. Er war noch nicht soweit, er spürte ohne den treibenden Gesang durchaus noch Kräfte in sich. Allmählich kehrte in die Enden seiner Greifbüschel wieder ein wenig Gefühl zurück.
    Am Rand seines Blickfeldes öffnete sich plötzlich eine Tür. Salaam Siin wandte unter unsäglichen Mühen den Kopf. Er sah einen kleinen Ophaler, der geduckt hereingehuscht kam, durch die Reihen der Singlehrer drängte und sich Qion Lanaa zuwandte.
    Im ungeordneten Klangteppich der Gespräche ringsum verstand Salaam Siin kein Wort; doch er bemerkte, wie Qion Lanaa seine Aufmerksamkeit trotz des kleinen Ophalers immer mehr ihm zuwandte.
    Schließlich ließ der Panish Panisha den anderen gehen. Lanaa breitete in einer hilflosen Geste die Arme aus.
    Vor unterdrückter Wut hätte er sich fast das Festgewand vom Leib gerissen. „Salaam Siin, etwas ist geschehen. Es geht um deinen Freund Stalker. Er ist verhaftet worden."
    „Verhaftet?" sang Salaam Siin mit dünner, kraftloser Stimme. „Ja. Er hat einen Einbruch begangen. Der Bote sagt, er habe versucht, einen Teil des großen Archivs von Mardakka zu vernichten. Unersetzliche Speicherkristalle, ich kann das nicht verstehen."
    „Aber vielleicht ich. Hat der Bote gesagt, um welche Kristalle es sich handelt?"
    Qion Lanaa gab einen überraschten Ton von sich. „In der Tat, das hat er. Stalkers Ziel waren im Grunde völlig unbedeutende Daten. Die Geschichte einer Singschule, die längst vernichtet wurde. Man hat sie nie wieder aufgebaut."
    „Es ist eine Singschule in Muun, nicht wahr?"
    Der Akkord, den Lanaa nun hervorbrachte, ähnelte dem von eben, war aber sehr viel stärker. „Du hast recht!
    Woher weißt du das? Es handelt sich um die Singschule von Leenaia!"
    „Das kann ich dir nicht sagen. Aber wir werden die Zeremonie um ein paar Stunden aufschieben.
    Ich will erst mit Stalker reden."
    „Das ist unmöglich. Wir müssen jetzt und hier eine Entscheidung fällen."
    Salaam Siin spürte erstmals wirklichen Ärger auf den Panish Panisha in sich aufsteigen. Und mit dem Ärger kehrte auch die Entschlußkraft zurück, die er lange an sich vermißt hatte. „Was möglich ist oder nicht, bestimme ich. Es ist meine Uhr, die abläuft. Und du hast nicht den geringsten Einblick in mein Inneres. - Die Singlehrer sollen sich bereithalten."
    Mit diesen Worten verließ Salaam Siin den Estartischen Dom. Er fühlte sich noch immer schwach, wie ein Greis. Doch bis zum Gleiter stützte ihn Vogan Dool, und danach besserte sich mit zunehmender Entfernung zum Dom sein

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