1578 - Hass der Verlorenen
verzichten?«
»Ich habe ihn davon überzeugen können, dass es allein meine Sache ist, die Verlorenen zu jagen, die so vom Hass erfüllt sind. Und ich werde sie stellen und vernichten.«
»Wie kommst du an sie heran?«
»Sie hinterlassen Spuren, die für dich nicht zu sehen sind. Das ist allein meine Sache.«
»Ab jetzt nicht mehr!«
Der Gerechte schaute mich an. Er gab keinen Kommentar ab.
Ich wiederholte meinen Satz.
»Warum?«, fragte er dann. »Was treibt dich, dich in meine Arbeit einzumischen?«
»Eine Frau namens Brenda Jones. Sie liegt hier tot in der Wohnung. Und vielleicht hätten wir sie retten können, aber wir haben uns für etwas anderes entschieden. Auch wir besitzen eine Ehre, und deshalb wirst du uns nicht los.«
Er lachte leise. »Wie ihr wollt. Es wird nur nicht einfach sein. Niemand weiß, wann und wo sie wieder zuschlagen. Ihr Hass ist über alle Maßen groß. Es ist der Hass der Verlorenen, der Verdammten, und den solltest du nicht unterschätzen.«
»Das werde ich auch nicht. Ich weiß nur, was wir uns schuldig sind.«
Raniel nickte. »Wir werden sehen…«
Danach machte er kehrt und ging einfach davon.
Glenda schaute mich an. Sie schüttelte den Kopf.
»Das war doch großer Unsinn, John. Er kommt her, zieht eine Schau ab und verschwindet wieder.«
»So ist er nun mal.«
»Und was tun wir?« Ich holte mein Handy hervor. »Die Kollegen anrufen. Das ist erst mal alles…«
***
Drei Jahre hatte man Smitty aufgebrummt. Mehr als zwei hatte der Einbrecher davon schon abgesessen, und man hatte ihm erklärt, dass er eventuell zwei Monate früher entlassen würde, wenn er sich entsprechend benahm.
Damit hatte sich der sechzigjährige Mann einverstanden erklärt.
Er gehörte zu den ruhigen Gefangenen im Block. Er arbeitete in der Knastgärtnerei, die auch für Fremdfirmen schaffte, mit denen Smitty bei einer Dienstfahrt ab und zu Kontakt hatte. Da konnte er mal wieder die ungesiebte Luft atmen.
Von den anderen Insassen wurde er ignoriert. Mit diesem mageren Burschen, dessen Gesicht ein Faltenmuster zeigte, konnten sie nichts anfangen.
Darüber war Smitty froh, denn als Dieb wollte er sich mit den Mördern und anderen Straftätern nicht vergleichen. Er hatte nie einen Menschen getötet. Er hatte einfach nur zu viele bestohlen. Das war ihm zum Verhängnis geworden.
Da Smitty bis auf eine Schwester, die in Irland lebte, keine Verwandten mehr hatte, war der Knast zu seinem zweiten Zuhause geworden. Zwar hatte er mit den Wärtern keine Freundschaft geschlossen, aber sie verstanden sich recht gut, und so kam es hin und wieder mal zu einem kleinen Schachspiel zwischen ihm und einem Aufpasser, der zur selben Zeit pensioniert wurde, wenn auch Smitty den ungastlichen Ort verließ.
Es hätte also alles gut laufen können, wären da nicht die letzten Nächte gewesen, die der Einbrecher als albtraumhaft angesehen hatte. Da war es mit der Ruhe vorbei gewesen, denn nachts war er von ungewöhnlichen Träumen gequält worden, über die er auch mit dem Wärter gesprochen hatte.
Der Mann hatte zugehört und einige Male genickt, ohne allerdings groß einen Kommentar abzugeben. Smitty war ja froh, dass es überhaupt einen Menschen gab, der ihm zuhörte.
Auch an diesem Abend hatte Josh, so hieß der Wärter, versprochen, ihn wieder aufzusuchen. Alles geschah klammheimlich, aber die beiden verstanden sich eben.
Das Schachspiel stand bereit. Die Figuren waren aufgebaut.
Ihnen machte die stickige Luft in der Zelle nichts aus, ganz im Gegensatz zu Smitty. Zwar stand das kleine viereckige Fenster weit offen, sodass er nach den Gitterstäben hätte greifen und sich daran hochziehen können, aber draußen wehte an diesem Abend kein Wind, der die Luft bewegt hätte.
Tagsüber war es ebenfalls sehr warm gewesen. In der Gärtnerei hatte Smittys Beschäftigung darin bestanden, Blumen zu gießen, damit sie nicht in der Sonne verdorrten.
Ich muss hier bald raus!, dachte er immer wieder, als er auf seinen Teller starrte. Das Essen hatte er nur zur Hälfte zu sich genommen. Das dünne Fleisch war zäh gewesen und hatte zudem säuerlich geschmeckt. Dazu kam ein Brot mit einer zu harten Kruste, und was letztendlich entscheidend war, er fühlte sich überhaupt nicht wohl.
Smitty fürchtete sich davor, sich zur Ruhe zu legen. In der vergangenen Nacht war dieser Albtraum noch viel schlimmer als sonst gewesen. Er hatte ihn so stark erwischt, dass er schon damit gerechnet hatte, dass sein letztes Stündlein
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