158 - Amoklauf der Werwölfe
sie draußen im All sind und Kiwibin ausgestiegen ist?" fragte Flindt kopfschüttelnd. „Die Innenverriegelung müßte doch völlig ausreichen."
„Wenn sie versagt", sagte Letskij leise, „dann sterben sie nicht schon auf dem Hinflug. Denn hier können wir noch sorgfältig auf jede Kleinigkeit achten. Wenn die Kapsel erst einmal unterwegs ist, dann ist nichts mehr zu machen."
„Warum wird nicht einfach angedockt?" wollte Flindt wissen.
„Die TYP-17 hat keine Andockmöglichkeiten. Ein Rendezvous im All mit der KOSMOVEGA ist daher unmöglich", sagte Letskij. „Der Mann muß sich im Raumanzug ausschleusen und die KOSMOVEGA förmlich knacken. Und hoffentlich wird er da bei nicht von den Dämonen umgebracht." „Kiwibins Schutzanzug ist speziell präpariert worden", sagte Dorian. „So leicht können sie ihn nicht mit ihrer Magie angreifen. Ebenso ist die gesamte Außenhülle der Kapsel mit Dämonenbannern und Abwehrzeichen versehen worden. Ich glaube kaum, daß die Dämonen sie anzugreifen vermögen." „Am einfachsten wäre es ja", brummte Flindt, „die KOSMOVEGA zu rammen und auf einen neuen Kurs zu schicken, der sie in den interplanetarischen Weltraum oder in die Sonne jagt. Warum macht man das nicht? Schon eine leichte Berührung…"
„Das Risiko, daß TYP-17 dabei beschädigt wird, ist zu groß", sagte Letskij. „Und auch das Risiko, daß die KOSMOVEGA beschädigt und durch einen unglücklichen Zufall dabei das Plutonium gezündet wird. Es braucht bloß eine Trennwand zu zerbrechen, die Massen werden zusammengeführt und überkritisch. Bumms. Das wollen wir aber vermeiden. Der Überfall der Werwölfe hat schon genug Todesopfer gefordert."
Er sah Flindt an.
„Ein Spaceshuttle könnte es vielleicht schaffen, die KOSMOVEGA auf einen anderen Kurs zu dirigieren. Aber unser eigenes Spaceshuttle-Projekt ist noch nicht ausgereift, und die Amerikaner… nun, die können wir aus demselben Grund nicht hinzuziehen, wie wir nicht in die Öffentlichkeit posaunen können, wer in der KOSMOVEGA sitzt. Und ohne Begründung ein offensichtlich bemanntes Raumschiff abschieben… da werden die Amerikaner nicht mitmachen."
„Hm", machte Flindt.
„Kommen Sie", sagte Letskij. „Der Countdown läuft. In einer halben Stunde startet die TYP-17. Bis dahin sollten wir hier verschwunden sein. Der Feuerorkan ist gewaltig. Bitte, suchen Sie mit mir den Schutzbunker auf."
Er zog die beiden Männer zum Dienstwagen. Ein wenig hinkte er noch von seinen Verletzungen, aber er erholte sich täglich mehr, ebenso wie Dunja Dimitrow, die in der Krankenstation die ersten Gehversuche machte.
Die Männer betraten das Kontrollzentrum im Schutzbunker. Wie üblich herrschte hier geschäftiges Treiben. Männer in Overalls saßen vor den großen Monitoren und an den Datenterminals. Die Startkontrolle arbeitete einwandfrei. Der Luftraum über Baikonur war von Flugobjekten jeder Art geräumt.
Auf den Monitoren sahen sie, wie die Rakete startklar gemacht wurde. Die Düsen der untersten Raketenstufen begannen Feuer zu speien. Eine Flammenfront befreite sich in Sekundenschnelle aus. Dann kam Null.
Und im gleichen Moment wurden die Haltegerüste abgesprengt, und die Rakete bekam Vollschub. Während die Gerüste noch seitwärts abklappten und in Rauch und Feuer versanken, hob sich das mächtige Weltraumgeschoß erst zögernd, dann immer schneller werdend in die Höhe und raste schließlich davon. Bald schon war die TYP-17 mit der Optik der Kameras nicht mehr zu erfassen, war nur noch ein Fleck auf dem Radarschirm. Ein Fleck, der sich stetig weiter entfernte.
Dorian schluckte. Er dachte an Kiwibin, den einsamen Dämonenjäger dort draußen. Der Russe war jetzt auf sich allein gestellt. Die Kosmonauten waren ihm keine Hilfe. Sie waren nur seine Piloten, die ihn an Ort und Stelle zu bringen hatten. Aber da draußen im Weltraum konnte Kiwibin niemand mehr helfen. Wenn etwas schiefging, dann war er jetzt schon tot.
Der Startandruck, der Kiwibin in den Schalensitz preßte, war mörderisch. Trotz des Zentrifugentrainings, das er hatte mitmachen müssen, glaubte er, sterben zu müssen. Er rang nach Luft, das Denken fiel ihm schwerer und schwerer. Minutenlang fragte er sich, wie die beiden Kosmonauten das aushielten. Die Sekunden tropften zäh dahin. Dumpf donnerte aus der Ferne das Triebwerk. Der Gedanke, daß der nicht ausgereifte neuentwickelte Treibstoff die Rakete vielleicht in alle ihre zahllosen Bestandteile zerlegen konnte, hielt Kiwibin in Atem.
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