1582 - Herr der Unterwelt
klopfte ihr Herz heftig. Ihre Augen blieben nie ruhig. Sie schaute sich hektisch um und suchte nach einer Bewegung.
Doch die Dunkelheit verschluckte alles. Bis auf die kleinen Flammen im Hintergrund, die sie einen Moment später wieder entdeckte. Sie leuchteten vor ihr in der Tiefe der Höhle.
Sie erkannte, dass sie ein wenig höher stand als die Flammen, die von keinem Windzug gestreift wurden.
Für Grace war es das Zentrum. Da musste sie hin.
Sie ging langsam. Draußen war es warm gewesen. Hier herrschte eine kühle Feuchtigkeit. Sie redete sich ein, dass dies eine normale Höhle war, obwohl das nicht stimmte.
Sie tastete sich weiter vor. Dabei wurde sie nur von einem Gedanken beherrscht.
Wo verbarg sich der Unhold? Grace kam der Gedanke, nach ihm zu rufen, den sie allerdings schnell wieder verwarf. Sie wollte das Schicksal nicht unbedingt noch mehr herausfordern. Wenn der Killer sich hier in der Dunkelheit verborgen hielt, dann würde er sie auch gesehen haben.
Noch war nichts zu hören. Die Geräusche der Natur hielten sich ebenfalls zurück. Sie spürte einen Druck im Magen, der nicht weichen wollte. Die Spannung war kaum noch zu ertragen, und sie presste die Lippen hart aufeinander.
Wo bist du, Killer? Wo?
Es waren nur Gedanken, auf die sie keine Antwort wusste. Doch der Instinkt machte ihr klar, dass sie hier in der Dunkelheit der Höhle nicht allein war.
Und dann war da noch das Kerzenlicht, das so klar brannte und so etwas wie ein Zentrum bildete. Es war für sie wie eine Lockung.
Grace wollte nicht zugeben, dass ihr rationales Denken ausgelöscht war.
Normalerweise hätte sie sich nicht in diese Gefahr begeben, doch sie hatte so ungemein stark an ihrem Bruder gehangen. Sie und Eric waren als Kinder unzertrennlich gewesen, und sie konnte seinen grausamen Tod nicht einfach so hinnehmen.
Und so ging sie weiter. Das Licht lockte sie.
Grace rechnete damit, dass die Gestalt plötzlich auftauchen würde.
Dann würde sein Schatten durch den Kerzenschein huschen und…
Sie irrte sich.
Sie irrte sich sogar gewaltig. Der Mörder war da. Nur nicht vor ihr.
Dicht hinter sich hörte sie ein schlimmes Geräusch. Es klang wie ein Zischen, und es riss sie aus ihren Überlegungen hervor.
Alles war anders geworden. Von einem Moment zum anderen hatte ihr Mut sie verlassen.
Sie fuhr herum. Nicht mal ein Schrei löste sich aus ihrem Mund. Und ihr stummes Entsetzen steigerte sich noch, als sie in das bleiche und leblose Totengesicht schaute…
***
Grace Taylor tat nichts. Sie glaubte, zu einer Salzsäule erstarrt zu sein.
Ihr Plan war wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Der Rückweg war ihr versperrt. Ihr blieb nur der Weg nach vorn ins Zentrum.
Grace sah nur das Gesicht. Aber die Konturen waren nicht scharf. Es schwebte als bleicher Fleck vor ihr, während der Körper in der Dunkelheit verschwamm.
Der Kopf schien ihr zerspringen zu wollen. Es war die perfekte Falle, in die sie hineingeraten war. Nicht nur ihr Bruder hatte sein Leben verloren.
Jetzt wies alles darauf hin, dass mit ihr das Gleiche geschehen sollte.
Wellen der Angst schnürten ihr Herz zusammen. Es fiel ihr schwer, normal Atem zu holen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit seit der unheimlichen Begegnung vergangen war. Sie wurde auch nicht angesprochen und hörte auch keinen Atemstoß, obwohl die Gestalt jetzt dicht vor ihr stand.
Aber sie bewegte sich. Es war mehr zu ahnen als zu sehen. Sekunden später spürte Grace es. Da fassten die Hände zu, und sie legten sich um ihren Hals.
Sie hörte eine Stimme oder war es nur ein Knurren?
Sie wollte schreien, doch es ging nicht. Ebenso verhielt es sich mit dem Luftholen, und ihr kam in den Sinn, dass der Unhold sie erwürgen wollte.
Einen Moment später änderte sich alles. Da traf ein heftiger Tritt ihre Kniekehlen. Sie knickte ein und wäre auf den Boden gestürzt, hätten die Hände, sie sich von ihrem Hals gelöst hatten, sie nicht gehalten.
Sie kippte nach hinten und zugleich zur Seite. Doch sie fiel nicht auf den Boden, weil die Hände sie hielten.
Und plötzlich lag sie auf den Armen dieses Unholds.
Er setzte sich in Bewegung und trug sie dem Zentrum der Unterwelt entgegen…
***
»Kommen wir zu spät?«, fragte Bill.
Ich hob die Schultern. »Hoffentlich nicht.«
Bill lachte nur bitter und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe Grace Taylor nicht. Es will mir nicht in den Kopf, wie sie so reagieren konnte.«
»Sie war von Emotionen überwältigt. Eine andere Erklärung
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