1584 - Seelenlos
machen konnte, was er wollte.
Er störte sich nicht daran und fragte: »Du hast deinen eigenen Kopf, wie?«
»Kann man so sagen.«
»Was ich sogar gut finde.«
»Das überrascht mich.«
»Dafür bin ich bekannt«, gab er zurück. »Ich denke, dass du noch weitere Überraschungen mit mir erleben wirst.«
»Ich bin gespannt.«
Jane war froh, dass die Unterhaltung in diese Richtung lief, denn so konnte der große Druck von ihr abfallen. Und sie hatte das Gefühl, dass Nicolic etwas Besonderes von ihr wollte, denn er gab sich nicht so feindselig, wie sie es erwartet hatte.
»Kommen Sie zur Sache«, sagte sie.
»Gern.« Trotz des schlechtes Lichts war sein Grinsen zu sehen. »Ich möchte dir einen Vorschlag machen.«
»Ach?«
»Ja, und den habe ich mir gut überlegt. Dass man dich ausgesucht hat, um mich zu treffen, muss einen besonderen Grund haben. Du bist eine Person, auf die man sich verlassen kann. Wir beide sollten deshalb ins Geschäft kommen. Meine Aussagen für eine Gegenleistung, die mir ein weiteres Leben garantiert. Damit war ich einverstanden. Doch jetzt hat sich einiges geändert. Ich habe ein neues Leben. Ein Leben ohne Seele, und ich kann dir sagen, dass es mir gefällt. Ja, ich bin davon regelrecht begeistert. Es ist einfach klasse. Man fühlt sich frei, man steht ganz oben. Wer kann mir noch etwas anhaben? Meine ehemaligen Verbündeten, für die ich ein Verräter bin? Nein, das schaffen sie nicht. Ich bin stärker, viel stärker als sie. Ich bin ihnen überlegen, und ich möchte, dass dies auch bei dir so ist.«
Jane wusste, worauf Nicolic hinauswollte. Sie tat nur so, als hätte sie nichts begriffen.
»Sorry, aber ich weiß nicht, was Sie damit meinen.«
»Ich will es dir sagen.«
»Bitte.«
»Werde meine Partnerin!«
Jane hatte Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Sie wusste, dass sie jetzt behutsam und diplomatisch reagieren musste. »Soll ich das ernst nehmen, Alex?«
»Sehr ernst. Wir beide könnten die Welt aus den Angeln heben. Wir sind mächtig. Ich weiß, wovon ich rede. Als Seelenloser sehe ich die Welt mit anderen Augen an. Ich brauche keine Rücksicht mehr zu nehmen. Ich war vor dieser Zeit auch nicht eben ein Chorknabe, aber es gab noch so etwas wie ein Gewissen. Das ist nun nicht mehr vorhanden. Ich erlebe die absolute Freiheit. Genau dahin kannst du auch kommen, wenn du auf meinen Vorschlag eingehst.«
»Hm.« Jane nickte. »Und weiter?«
»Nichts weiter. Reicht dir das etwa nicht?«
»Und was ist mit unserem Geschäft?«
Nicolic winkte ab. »Das brauchst du nicht zu vergessen. Wir können es durchziehen, und deine Auftraggeber werden zufrieden sein. Zuvor aber musst du auf meine Linie einschwenken.«
»Und wie sieht das aus?«
Er hob eine Hand und spreizte zwei Finger ab. »Schau in meine Augen, dann weißt du es.«
Jane lachte ihn an, obgleich es ihr schwer fiel. »Ich soll so werden wie Sie?«
»Du hast es begriffen. Du bist gut, das weiß ich genau. Ich kann dir eine neue Zukunft geben.«
»Das denke ich auch. Aber könnte es nicht sein, dass mir mein altes Leben gefällt? Dass ich kein Interesse daran habe, Menschen zu erniedrigen und zu quälen? Es ist sicherlich schwer für Sie, Alex, das zu begreifen, aber ich bin mit meinem jetzigen Leben zufrieden.«
»Das ist ein Fehler.«
»Nicht für mich. Ich möchte kein Leid säen. Ich will niemandem den Tod bringen, ich will ein normaler Mensch bleiben und werde versuchen, andere zu schützen.«
Jane sah Nicolic an, dass ihm diese Antwort nicht gefiel. Aber er hatte sich in der Gewalt und blieb gelassen.
»Wenn ich dich nicht überzeugen kann, werde ich dich zwingen müssen, einen anderen Weg zu gehen.«
»Ah, eine Alternative.«
»Ja.«
»Da bin ich gespannt.«
Die Antwort erfolgte prompt. »Diese Alternative führt in den Tod, in dein frühes Ableben. In die Vernichtung, das kann ich dir schwören. Du wirst nicht mehr leben. Du wirst auch nicht in den Kreis der Seelenlosen eingereiht. Du wirst einfach nur tot sein, mausetot.«
»Bitte, das kann ich nicht ändern.«
Nicolic hatte längst gemerkt, dass er gegen eine Wand sprach. Aber er wollte seinen Plan nicht aufgeben, nickte Jane zu, bevor er einen Schritt auf sie zuging.
Schon bei dieser geringen Bewegung zeigte sich in seinen Augen eine Veränderung. Das Gelb blieb nicht mehr so blass. Es fing an zu leuchten.
Jane wusste, dass es Zeit für sie war. Noch bevor der Serbe den nächsten Schritt ging, bewegte sie sich nach hinten und dann zur Seite,
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