1584 - Seelenlos
sodass sie in den Schutz und die Deckung einer Säule geriet und so vor den Augen des Seelenlosen in Sicherheit war…
***
Jane Collins und ich waren nicht gemeinsam zum Zielort gegangen. Wir hatte es als besser angesehen, uns zu trennen, wobei ich Jane in einer bestimmten Entfernung gefolgt war und sie nicht aus den Augen gelassen hatte.
Den Serben würde ich wohl nicht sehen. Ich konnte mir vorstellen, dass er bereits am Zielort auf Jane wartete, und konnte mich so auf Jane konzentrieren.
Sie hatte sich gut unter Kontrolle. Von einer normalen Spaziergängerin oder Touristin war sie nicht zu unterscheiden, als sie in die einbrechende Dämmerung schritt und sich dem mächtigen Bau des Münsters immer mehr näherte.
Ich blieb auf der gegenüberliegenden Straße, schaute zu, wie Jane links neben der Kirche das große Grundstück betrat und in den Schatten eines voluminösen Baumes geriet, der sie aufzusaugen schien. Für mich war sie ab jetzt nicht mehr sichtbar.
Ich stellte mir die Frage, wie ich mich verhalten sollte. Ich wollte in ihrer Nähe bleiben, aber nicht so, dass man mich schnell entdeckte. So musste ich mich anschleichen und jede Deckung ausnutzen.
Ich dachte auch daran, dass gewisse Leute dem Serben im Nacken saßen. Mit Verrätern machte man kurzen Prozess, und sie hatten ihn ja bereits aufgespürt, sonst hätte es den Amokläufer nicht gegeben, der von ihm zu einem Seelenlosen gemacht worden war.
Ich suchte mir eine dunkle Stelle aus. Die Gegend vor dem Münster lag gut einsehbar in meinem Blickfeld. Wenn sich jemand heranschlich, würde ich es sehen können.
Zwei, drei Minuten ließ ich verstreichen. Es tat sich nichts. Die Umgebung blieb ruhig, was mir nur recht war, denn auf schießwütige Killer konnte ich gut verzichten.
Ich reagierte dem Gefühl nach. Niemand sah mich, als ich in die Nähe der Kirche huschte und mir einen Weg suchte, der mich in die Nähe der Detektivin führte.
Mein Herz klopfte schon schneller. Jane trug zwar mein Kreuz bei sich, aber Nicolic war nicht zu unterschätzen, dem traute ich alles zu.
Mit diesem Gedanken schob ich mich an der Längsseite der Kirche entlang in den Hintergrund, wo sich auch der Kreuzgang befand, den die Dämmerung einhüllte.
Von dort hörte ich Stimmen.
Da sprachen ein Mann und eine Frau, und ich wusste jetzt, dass sich Jane Collins und Alex Nicolic gefunden hatten…
Die Detektivin war hinter der Säule stehen geblieben, als sie das scharfe Lachen hörte. Ihr Gegner freute sich, und sie musste dem Seelenlosen sogar zustimmen, denn das hier war kein Versteck und keine Ausgangsposition, um ihm zu entkommen.
Daran hatte Jane auch nicht gedacht. Sie baute auf einen anderen Plan, und sie hatte sich nur deshalb hinter die Säule zurückgezogen, weil der Mann nicht sehen sollte, wie sie das Kreuz ins Freie holte.
Er kam und lachte noch immer.
Jane hatte ihre Ohren gespitzt. Sie lauschte den Schritten, die durch sein Lachen nicht übertönt wurden. So rechnete sie sich aus, wann er die Säule erreicht hatte. Dann würde eine Drehung reichen, um vor ihm zu stehen.
Als sie daran dachte, huschte ein Lächeln über ihre Lippen, denn darauf hatte sie sich längst vorbereitet. In der rechten Hand hielt sie nicht die Beretta, sondern das Kreuz. Es war jetzt zu einer Waffe geworden, stärker als jede andere.
Das Lachen verstummte.
Die Schritte ebenfalls.
Nicolic machte es spannend. Er ließ einige Sekunden der Stille verstreichen, bis er sich wieder meldete, und das mit einer scharfen Flüsterstimme.
»Ich werde dich gleich holen. Aber ich gebe dir eine allerletzte Chance: Du kannst noch umkehren.«
Nur eine Antwort kam für sie infrage. Und sie ließ ihn nicht lange darauf warten.
»Nein!«
Es war vorbei mit der Geduld des Seelenlosen. Er stieß noch einen Laut aus, der sich wie ein Fluch anhörte, dann hielt ihn nichts mehr auf seinem Platz. Er brauchte nur drei kleine Schritte, um die Säule zu passieren, hinter der Jane stand.
Das traf jetzt nicht mehr zu. Als sich der Serbe umdrehte, stand sie vor ihm. Und noch in der Drehung veränderte sich das Aussehen seines Gesichts. Es war der triumphierende Ausdruck in seinem Gesicht, der schlagartig verschwand. Für eine Millisekunde schien er auf der Stelle einzufrieren, dann erfolgte die Veränderung.
In der Dämmerung sah er deutlich, was Jane Collins in der Hand hielt. Es war der Gegenstand, den er hassen musste, ein Erzfeind des Bösen, und er spürte, dass von diesem Kreuz etwas ausging,
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