1584 - Seelenlos
und allein um einen Erfolg. Um ihn zu erringen sehe ich nur diesen Weg.«
Jane Collins wusste selbst, dass sie ihre Entscheidung nicht ewig hinausschieben konnte. Ihr Blick saugte sich an meinen Augen fest, und darin las sie meinen festen Willen.
»Bitte«, sagte ich.
»Okay«, stieß sie hervor. »Okay, John, ich werde auf deinen Vorschlag eingehen. Es geht mir dabei um die Menschen, die ich vielleicht retten kann.«
»Wir werden es schaffen.«
Ich hatte mein Kreuz in die Tasche gesteckt und holte es jetzt hervor. Ich legte es auf den Tisch und Jane nahm es vorsichtig an sich.
»Danke, John.«
»Schon gut.«
Der Wirt tauchte auf. Wir hatten zwar schon gezahlt, aber der Mann musste noch etwas loswerden.
»Haben Sie gehört, was auf der Wettsteinbrücke los war?«
»Nichts Genaues«, sagte ich.
»Da hat es einen Amoklauf eines Verrückten gegeben«, flüsterte er. »Der Mann hat mit einer Maschinenpistole um sich geschossen. Das war der nackte Wahnsinn. So etwas hat es hier noch nie gegeben. Das hörte man nur immer aus anderen Ländern…«
Ich unterbrach ihn. »Gab es Tote?«
»Ja, zwei. Ein Mann und eine Frau. Aber mehr Menschen sind angeschossen und verletzt worden. Es kann sogar sein, dass noch welche sterben. Das wäre grauenhaft.«
»Hat man den Amokläufer gestellt?«
Der Wirt hob die Schultern. »Das ist wohl der Fall. Im Radio hörte ich, dass jemand tot am Ufer auf unserer Flussseite gelegen hat. Die Beschreibung passt auf den Amokläufer.«
»Das ist gut. Weiß man, wie er starb?«
»Nein, das wurde nicht gesagt. Wer immer ihn umgebracht hat, er ist für mich ein Held.«
Ich nickte. »Das muss man wohl so sehen.«
»Man kann nur hoffen, dass sich so etwas nicht wiederholt«, murmelte der Rothaarige.
»Da sagen Sie was.«
Der Wirt zog sich wieder zurück. Ich schaute Jane mit einem bestimmten Blick an, den sie auch verstand.
»Ja, ich werde es tun. Ich muss Nicolic ausschalten. Es geht ja vor allem darum, dass keine Seelenlosen weitere Verbrechen verüben. Deshalb werd ich ihn treffen.«
Es schien, als wäre unser Gespräch von der anderen Seite belauscht worden, denn Sekunden später meldete sich Janes Handy.
»Das ist er«, flüsterte sie. »Bestimmt.«
Wieder stellte Jane den Lautsprecher ein. Ich rückte näher an sie heran, um jedes Wort mitzubekommen.
Zunächst mal hörte ich ein Lachen. »Na, hast du dich entschieden, Jane Collins?«
»Das habe ich. Ich werde Sie treffen. Sagen Sie mir, wo ich Sie finden kann.«
»Oh…«
»Ist das alles?«
»Nein, nein, ich muss nur meine Überraschung verdauen. Das ist sehr mutig von dir.«
»Deshalb hat man mich für diesen Job ausgesucht. Schlagen Sie einen Treffpunkt vor.«
»Ganz einfach. Es gibt in dieser Stadt viele exponierte Stellen. Eine ist besonders günstig. Das über dem Rhein liegende Münster. Ich denke, dass wir uns dort sehen sollten.«
»Gut. Und wo da? Es ist recht groß.«
»Es gibt da so etwas wie einen Arkadengang oder auch Kreuzgang. Wir werden uns nicht im Innern treffen.«
»Schade.«
»Für mich gibt es seit Kurzem Orte, die ich hasse.«
Jane ging nicht darauf ein. Sie antwortete mit einer Frage.
»Gut, und wann treffen wir uns dort?«
»Sagen wir bei Anbruch der Dämmerung. Oder kurz davor. Ich werde dort sein.«
»Und wer noch?«
Nicolic zeigte sich überrascht. »Was soll die Frage? Ich werde allein sein, und komm du auf jeden Fall auch allein. Deinen Begleiter kannst du vergessen. Es sei denn, du willst, dass er stirbt. Dann kannst du ihn mitbringen.«
»Schon klar.«
»Gut, dann sehen wir uns…« Nicolic hatte die Verbindung unterbrochen.
Jane steckte ihr Handy weg. Sie schlug die Beine übereinander und wippte mit dem rechten Fuß.
»Bist du jetzt zufrieden, John?«
»Es ist die einzige Möglichkeit, etwas zu erreichen.« Ich lächelte wissend. »Und einen Vorteil haben wir auf unserer Seite. Du trägst das Kreuz bei dir, und davon hat der Typ keine Ahnung.«
»Hoffentlich nicht.«
»Du wirst es erleben, Jane…«
***
Die Leute, die die Umgebung des höher liegenden Münsters erklommen hatten, freuten sich darüber, welch ein Ausblick sich ihnen bot.
Dafür hatte Jane Collins keine Augen, als sie vor der gewaltigen Kirche stehen blieb und ihren Blick an der barocken Backsteinfassade in die Höhe gleiten ließ.
Die Kirche war wie ein Wachturm des Guten. Wer sie anschaute, der konnte sich kaum vorstellen, dass in ihrem Dunstkreis etwas Schreckliches geschehen konnte.
Einige
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