1586 - Leichenräuber
dagegen.
Er hatte nichts von dem gehört, was sich am Grubenrand abspielte. Da hatte sich etwas herangeschlichen, das sich jetzt bemerkbar machte und Suko ein hässliches und gellendes Lachen entgegenschickte…
***
In den folgenden Sekunden tat Suko nichts. Er schaute nicht mal in die Höhe.
Leicht geduckt stand er auf der Stelle und wartete, bis das Lachen abklang.
Erst nach einer Weile legte er den Kopf zurück, um zum Grubenrand hinaufzublicken.
Bisher hatte er immer nur den normalen Ausschnitt gesehen. Das änderte sich nun, denn etwas schaute über den Rand hinweg und hatte das Gelächter ausgestoßen.
Natürlich dachte Suko sofort an einen Ghoul, was allerdings nicht stimmte. Er sah auch nicht dieses bleiche Gesicht, das er zwischen den Bäumen entdeckt hatte, denn was dort oben erschienen war, sah anders aus.
Aber wie anders?
Suko dachte daran, die Lampe wieder einzuschalten und den Strahl nach oben zu schicken. Dazu kam er nicht mehr, denn er hörte die Person etwas sagen. Sie sprach mir einer irgendwie neutralen Stimme. Suko fand nicht heraus, ob dort oben ein Mann oder eine Frau hockte. Er ging nur davon aus, dass diese Person noch jünger war.
»Na, wie fühlst du dich?«
Suko blieb gelassen. Er hob die Schultern an und ließ sie wieder fallen. »Was soll die Frage? Sorg lieber dafür, dass ich hier rausgeholt werde.«
Ihm war bei seinen Worten nicht zum Lachen zumute.
Der anderen Seite schon. Wieder schallte ihm dieses hässliche Gelächter entgegen, und kurz darauf folgte eine Frage.
»Kennst du die Geschichte von Hänsel und Gretel?«
»Was soll das?«
»He, Arschloch, kennst du sie?«
»Kann sein.«
»Dann weißt du auch, was die Hexe mit ihnen vorhatte. Und das Gleiche gilt auch für dich. Aber anders als im Märchen. Da sind die Kinder entkommen und wurden nicht gefressen. Du aber bist als Beute ausgewählt worden, und du wirst keine Chance haben, mit dem Leben davonzukommen…«
Ein letztes Lachen noch. Wenig später lag die Grubenöffnung wieder leer über ihm.
Es war kein Ghoul gewesen, sondern ein Mensch, wenn auch ein völlig durchgeknallter und perverser. Und wahrscheinlich einer, der sich auf diesem Friedhof auskannte, vielleicht sogar zu Hause fühlte und mit den Ghouls auf irgendeine Weise gemeinsame Sache machte.
Um sich selbst machte sich Suko keine Gedanken. Er dachte eher an Shao, die durch ihn hergelockt worden war.
Das gefiel ihm ganz und gar nicht…
***
Nach einiger Suche hatte Shao ihr Ziel endlich erreicht.
Sie parkte Sukos BMW dort, wo ihr Partner den Dienstrover abgestellt hatte.
Der Tag war dabei, sich endgültig zu verabschieden. Der Himmel hatte schon sein graues Tuch übergestreift. Es regnete nicht, worüber Shao froh war.
Als sie ausstieg und einen ersten Blick auf den nahen Friedhof warf, da kam er ihr vor wie eine kompakte Wand aus dunklen Farben, die sich in alle vier Richtungen ausbreitete.
In ihrer Umgebung herrschte Stille, wie es auf einem Friedhof zu dieser Zeit nicht anders zu erwarten war. Normalerweise hätte sie kein ungutes Gefühl bei ihr hinterlassen, aber jetzt sah sie es anders.
Was sie von ihrem Partner Suko erfahren hatte, bereitete ihr starke Sorgen. Hinter dem Tor befand sich ein Gelände, auf dem nicht alles stimmte. Sie dachte an die Ghouls und daran, wie sich diese Dämonen zwangsläufig bemerkbar machten. Deshalb sog sie auch die Luft mit einem bestimmten Gedanken durch die Nase ein.
Sie hätte sich nicht gewundert, wenn sie plötzlich den ekligen Verwesungsgestank wahrgenommen hätte.
Suko hatte ihr von einem offenen Tor erzählt, und das traf tatsächlich zu.
Shao drückte es nach innen und setzte einen ersten Schritt auf den alten Friedhof.
Die Kronen der Bäume, die ein schützendes natürliches Dach bildeten, kamen ihr jetzt sogar leicht bedrohlich vor. Sie hatte den Eindruck, als warteten sie nur darauf, sich auf sie niederfallen zu lassen.
Das Tor war wieder zugefallen, und Shao schaute nicht zurück, als sie den Weg zur Leichenhalle einschlug, den Suko ihr ebenfalls beschrieben hatte.
Es traf alles so zu, wie sie es gehört hatte. Nur die Stille störte sie. Shao hatte das Gefühl, dass in ihr etwas lauern würde. Eine Gefahr, die sie nicht aus den Augen ließ und nur darauf wartete, dass sie einen Fehler beging.
Die leisen Echos der eigenen Schritte hörte sie ebenso wie das leise Rascheln der von den Bäumen gefallenen Blätter, die der leichte Wind über den Boden trieb.
Ansonsten war nichts
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