1586 - Leichenräuber
Finsternis zu jagen. Dazu gehörten natürlich auch die Leichenfresser, die für einen Fachmann wie ihn sogar leicht zu killen waren.
Träge verging die Zeit.
Zum Glück war Suko ein Mensch, der sich in Geduld üben konnte. Das entsprach seiner asiatischen Mentalität, die er auch in London nicht verloren hatte.
In seiner Umgebung blieb es still. Es löste sich auch kein Stein aus dem Wandgefüge, und nicht mal ein Lehmklumpen fiel nach unten.
Dennoch war die Ruhe nicht absolut. Durch die Öffnung oben drangen die Geräusche des Friedhofs.
So hörte er das Rascheln, wenn der Wind das Laub vor sich hertrieb.
Suko wartete geduldig. Er lehnte sich gegen die Grubenwand und schaffte es, sich zu entspannen.
An die Gerüche hatte er sich längst gewöhnt.
Wenn er sich stark konzentrierte, hörte er aus der Ferne ein leises Brausen. Es war der normale Straßenverkehr. Wirklich nicht weit entfernt.
Für ihn in seiner Lage aber wie von einem anderen Stern.
Schlagartig veränderte sich seine Haltung. Die Trägheit fiel von ihm ab. Er richtete sich kerzengerade auf, denn etwas hatte sich in seiner Umgebung verändert.
Es lag an der Luft, und damit am Geruch, der nicht mehr so war wie noch vor wenigen Minuten.
Der Gestank war wieder intensiver geworden.
Es stank nach Verwesung…
Suko löste sich von der Grubenwand.
Sein Blick glitt nach unten, wo sich die Öffnung des Ganges befand. Wäre der Gestank sichtbar gewesen, dann hätte er bestimmt die Wolken entdeckt, die aus dem Gang hervorgequollen wären.
So sah er nichts.
Er roch nur den widerlichen Gestank, der ihm fast den Atem raubte.
Und er wusste genau, was das zu bedeuten hatte!
Suko kniete nieder, bis er in die Öffnung schauen konnte. Sein Blick glitt in die tiefe Dunkelheit hinein, aus der ihm dieser eklige Gestank entgegen wehte.
Er brauchte Licht!
Suko blieb cool, als er die Lampe hervorholte und einen Moment später einschaltete.
Das helle Licht bohrte sich in die Dunkelheit des Ganges hinein. Und es traf ein Ziel.
Suko hielt den Atem an, obwohl es eigentlich keine Überraschung für ihn war.
Er sah den Ghoul, und es war keine der drei Gestalten, die ihn auf dem Friedhof in die Fallgrube gelockt hatten, das konnte er mit Bestimmtheit behaupten.
Im Gang hockte ein schleimiges Glibberwesen!
***
Sukos Hand mit der Lampe zitterte nicht. Sie bewegte sich um keinen Millimeter. Der auf breit gestellte Kegel traf das Wesen voll, und es sah wirklich aus wie ein echter Ghoul.
Unförmig und dennoch kompakt. Eingeklemmt zwischen den beiden Gangwänden. Durch den Schleim, der die Außenhaut bildete, war es trotzdem in der Lage, sich durch den engen Tunnel zu bewegen.
Der Ghoul wartete, als wollte er sich besonders deutlich im Licht präsentieren.
Er War ein ekliges und wabbeliges Gebilde. Der Körper hatte die Form einer kugelförmigen Flasche, die sich immer so verformte, wie es die Umgebung es erforderte, durch die sich der Ghoul bewegte.
Suko hielt Ausschau nach dem Gesicht. Er wusste, dass diese Ghouls so etwas Ähnliches wie ein Gesicht hatten, und er sah tatsächlich den breiten Spalt in der unteren Hälfte des Schädels. Das war der Mund. Wenn er geschlossen war, verbarg er Zähne. Anders sah es beim Öffnen des Mauls aus.
Da konnte der Anblick des furchtbaren Gebisses einen Menschen bis in die tiefsten Fasern seines Körpers erschrecken. Das war dann einfach nur grauenhaft, und ebenfalls die Vorstellung, wenn sich die kurzen, aber spitzen Zähne in das Fleisch eines Menschen schlugen und Stücke aus dem Körper herausrissen.
Ob dieser Ghoul Augen hatte, war für Suko nicht zu erkennen. Sollte es der Fall sein, dann hielt er sie geschlossen und folgte seinem Instinkt, wenn er sich auf ein Opfer zu bewegte.
Das plötzliche Licht hatte ihn wohl überrascht, denn er rührte sich nicht von der Stelle und blieb Wie eingeklemmt im Gang hocken.
Er gab auch keinen Laut von sich. Kein widerliches Schmatzen oder Schlürfen. Das würde erst zu hören sein, wenn sich der Ghoul mit einem Opfer beschäftigte.
Suko konnte nicht sagen, wie lange er den Leichenfresser schon angeleuchtet hatte, ohne dass etwas geschah. Jedenfalls schob sich die Kreatur nicht weiter vor. Sie blieb dort, wo sie war, auch wenn Suko voller Spannung darauf wartete, dass sie etwas unternahm.
Angst verspürte Suko nicht. Er war cool genug, um sich dem Grauen zu stellen. Mit seinen Waffen war es ihm ein Leichtes, den Dämon zu töten.
Und der Ghoul wollte ihn. Es begann mit einem
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