1587 - Midnight-Lady
Defensive gedrängt, trotzdem verspürte ich ein kaltes Gefühl im Nacken.
Sie war da, um sich das Blut zu holen, was ihre Vorhut nicht geschafft hatte.
Angesprochen wurde ich von ihr nicht. Sie kam auch keinen Schritt näher, und ich hatte den Eindruck, dass irgendetwas sie davon abhielt.
Es war etwas an mir, das wie eine Mauer wirkte, und ich musste nicht lange nachdenken, denn das Kreuz an meiner Brust gab mir die Antwort durch seinen leichten Wärmestoß.
Ich sah es als Zeichen an, etwas zu tun, und ich wollte das Kreuz nicht verborgen unter meinem Hemd lassen. Ohne die Unperson aus dem Blick zu lassen, fasste ich mit einer Hand an meinen Nacken und nahm die schmale Silberkette zwischen meine Finger.
Langsam zog ich das Kreuz in die Höhe. Jeden Augenblick würde es sichtbar werden, wenn es aus dem Hemdausschnitt glitt.
Noch bewegte sich Selma Blair nicht. Sie starrte mich an. Sie wusste ja, dass etwas geschehen würde, aber sie reagierte nicht.
Bis ich das Kreuz sichtbar freigelegt hatte.
Ich sah das Funkeln des Metalls, das der Vampirin ebenfalls nicht verborgen blieb. Ich ließ das Kreuz offen vor meiner Brust hängen. Es gab mir den nötigen Schutz und auch die Sicherheit.
Anschließend holte ich meinen zweiten Trumpf hervor, und das war die mit Silberkugeln geladene Beretta.
Auch das beobachtete sie mit starren Augen. An ein Eingreifen dachte Selma Blair nicht. Mich überraschte ihre Lethargie schon. War sie so sehr von sich überzeugt, dass sie davon ausging, ihr könnte selbst das Kreuz nichts anhaben, von dem eine ungeheuer starke Kraft ausging?
Nein, so sah ich das nicht. Sie wollte sich nur keine Blöße geben, aber diesen unsichtbaren Mantel aus Selbstgefälligkeit wollte ich aufreißen.
Und ich sprach sie an.
»Das ist das Ende deiner Existenz, MidnightLady. Du wirst es nicht mehr schaffen. Du wirst keine Schülerinnen mehr leer trinken und auch deine Fledermäuse nicht mehr auf Menschen hetzen. Es ist aus!«
Nach dem letzten Wort ging ich den ersten Schritt auf die Treppe zu.
Die Stimme Justine Cavallos traf mich völlig unvorbereitet, denn an sie hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht.
»Nein, John, du wirst nichts tun! Die MidnightLady gehört einzig und allein mir…«
***
Einen Schreck hatte ich nicht bekommen. Ich war nur überrascht, und ich hatte auch nicht gesehen, woher sie so plötzlich aufgetaucht war.
Wie ein Gespenst aus dem Dunkel hatte sie sich angeschlichen.
Erst als ich in ihre Richtung schaute, da sah ich sie im Lichtschein, der durch eine offene Tür fiel.
Von uns sprach niemand. Nur das leise Stöhnen des Hausmeisters war zu hören. Er lag auf dem Steinboden und bekam nicht mit, was um ihn herum vorging.
Ich wollte mich so schnell nicht geschlagen geben und fragte Justine: »Warum sollte sie dir allein gehören?«
»Ich habe die älteren Rechte.«
»Tatsächlich?«
»Lass deinen Spott, Partner. Eine von uns ist zu viel auf dieser Welt, und deshalb werde ich sie vernichten.«
Diese Worte gefielen Selma Blair nicht. Auch sie meldete sich, und das tat sie mit einem scharfen Lachen, wobei sie zugleich den Kopf schüttelte.
»Ich lasse mir von dir meine Pläne nicht durchkreuzen, Justine Cavallo. Ich habe gewusst, dass es dich gibt. Ich habe dich auch akzeptiert und bin dir nie zu nahe gekommen. Jetzt hat sich alles geändert. Du wirst es nicht schaffen, mich zu vernichten. Ich bin einfach zu stark, verstehst du?«
Die Cavallo lachte. »Gut, ich lasse dich in dem Glauben und möchte nur wissen, wer dich so stark gemacht hat. War es Dracula II, der Supervampir?«
»Nein.«
Justine hob die Augenbrauen. »Kennst du ihn denn?«
»Er interessiert mich nicht. Ich gehe meinen eigenen Weg. Verstanden?«
»Ja, alles klar. Jetzt will ich nur noch wissen, wer dich zur Vampirin gemacht hat. Willst du es mir nicht sagen? Oder hast du es vielleicht vergessen?«
»Keine Sorge, du sollst die Wahrheit hören.«
»Bitte.« Nach diesem Wort ging die Cavallo einen langen Schritt vor. Als sie stoppte, berührten ihre Fußspitzen beinahe die Kante der ersten Stufe.
Selma Blair senkte den Kopf, damit sie ihrer Todfeindin ins Gesicht schauen konnte. Bedächtig gab sie die Antwort, und ich hörte ebenfalls zu.
»Es waren meine Freunde, die auch ihr kennt. Die Fledermäuse, die kleinen Beißer. Für sie war ich die beste Nahrung. Sie haben mich gebissen, sie haben mein menschliches Blut getrunken und mich bis auf den letzten Tropfen leer gesaugt. Nur deshalb bin ich zur
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