1587 - Midnight-Lady
Steinboden aufprallte.
Da hätte sich ein Mensch leicht das Kreuz brechen können. Sie war zudem mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, doch das machte dieser Unperson nichts aus.
Justine blieb an der Treppe stehen und blickte über das Geländer nach unten.
Dann sprach sie mich an.
»Sieh genau hin, Partner. Das war erst der erste Teil. Das Finale besteht ihr noch bevor. Du kannst deine Waffen wegstecken, ich erledige das allein.«
Ich ließ Kreuz und Beretta nicht verschwinden. Allerdings kam ich mir ziemlich überflüssig vor.
Die Cavallo genoss ihren Triumph. Sie ließ sich Zeit, die Stufen nach unten zu gehen, und rieb dabei ihre Hände.
Die MidnightLady war durch diese Kampfaktion wohl überrascht worden. Sie lag noch immer am Boden, aber sie zeigte jetzt auch, dass noch Energie in ihr steckte.
Auf ihre Helfer konnte sie sich nicht mehr verlassen. Viele von ihnen lagen tot auf dem Boden oder den Stufen, wo sie nichts anderes als dunkle Flecke waren, nur manchmal mit einem roten Blutstreifen versehen.
Selma Blair richtete sich auf. Da war nichts Geschmeidiges mehr in ihren Bewegungen zu sehen. Es sah so aus, als hätte sich eine alte Frau in eine sitzende Position gebracht. Sie schaffte es auch nicht, auf die Füße zu kommen.
Justine hatte die Treppe inzwischen hinter sich gelassen und musste nur noch wenige Schritte gehen, um ihre Gegnerin zu erreichen.
Die blonde Bestie drehte sich nach rechts und starrte ihre Feindin an, aus deren offenem Mund starke Keuchlaute drangen.
Zwei Schritte weiter blieb Justine stehen und breitete die Arme aus.
»Das ist dein Ende, MidnightLady. Ich habe dir gesagt, dass eine von uns zu viel auf dieser Welt ist. Und genau das werde ich jetzt ändern.«
Selma Blair wusste, dass ihre Position nicht die Beste war. Trotzdem wollte sie nicht aufgeben. Sie rutschte etwas zurück und holte sich den Schwung, um auf die Beine zu gelangen.
Aber noch bevor sie ihre Standfestigkeit erreicht hatte, griff die Cavallo zu. Sie umklammerte die Kleidung ihrer Feindin an der Brust und störte sich nicht daran, dass Selma zuschlug und einige Schläge ihr Gesicht trafen.
Justine wirbelte ihre Beute herum und wuchtete sie gegen die Außenseite des Steingeländers. Ich hörte das Knacken, genau wie die Direktorin, die im Hintergrund erschienen und entsetzt stehen geblieben war.
Auch der Hausmeister schaute zu. Er saß jetzt. Aus seinen kleinen Gesichtswunden perlte Blut. Sein schweres Keuchen war zu hören und vermischte sich mit dem wilden Flattern der noch verbliebenen Fledermäuse, denn sie waren die Ersten, die die Flucht antraten, weil sie spürten, dass hier nichts mehr für sie zu holen war.
Selma Blair war nicht mehr in der Lage, sich zu erheben. Irgendwas stimmte mit ihrem Rückgrat nicht mehr.
Mit einem eisigen Blick starrte die Cavallo auf ihre Feindin nieder. Es sah fast so aus, als wollte sie ausspucken, doch aus ihrem Mund drangen nur Worte, die sie einfach loswerden musste.
»Du bist nur noch ein Stück Dreck. Einfach lächerlich. Wie hast du nur so arrogant sein können zu glauben, dass du mich besiegen könntest? Das ist einfach lächerlich. Es gibt nur eine Siegerin, und die bin ich.« Sie drehte den Kopf, um mich anzuschauen. »Sieh und hör genau hin, Partner, und merke dir das für die Zukunft. Ich bin es, die die Akzente setzt, und das zeige ich dir jetzt.«
Und dann tat sie etwas, was eigentlich paradox war. Als Vampirin wollte sie eine Artgenossin pfählen. Dafür griff sie unter die Jacke und holte einen Stab hervor, der aussah wie ein langes, dünnes Messer.
Dann lachte sie.
Die MidnightLady schaute ihr entgegen. Es war nicht zu erkennen, ob Furcht oder Panik in ihrem Blick lag. Wahrscheinlich fühlte sie nichts, weil sie ein Vampir war. Mein Kreuz lag nicht in ihrer Blickrichtung.
Sie wollte wegkriechen. Trotz ihres in Mitleidenschaft gezogenen Rückens. Es kam mir wie ein Wunder vor, dass sie es schaffte.
Justine ließ es amüsiert zu, und zwar so lange, bis die Blair eine bestimmte Position erreicht hatte.
Dann stieß sie zu.
Es war nur ein Reflex, den ich sah. Aber Justine hatte Selma Blair zielsicher getroffen.
Der zugespitzte Pfahl oder lange Stift rammte in die linke Brustseite der MidnightLady. Sie brach zusammen. Aus ihrem weit geöffneten Mund löste sich ein Heulton, der mich an den Klang einer Sirene erinnerte. Auf dem Rücken blieb sie liegen. Sie wollte nicht vergehen. Sie wuchtete ihren Körper mal nach links, dann wieder nach rechts, aber
Weitere Kostenlose Bücher