1587 - Rebellion der Sterblichen
war ihr Plan gewesen, über Onida Cartis das Triumvirat zu erschrekken. Sie hatten Wahrheit und Lüge zu einem finsteren Bild mischen wollen. Nun aber schien es, als sei das nicht einmal notwendig. Die bloße Wahrheit barg schon den Keim des Untergangs.
Hagea arbeitete die Nacht durch, ohne mehr als eine Stunde Schlaf zu bekommen. Und auch ihr Heißhunger war wieder erwacht; allerdings wagte sie in Gegenwart der Schüler nicht, ihm nachzugeben. So betäubte sie den seelischen Schmerz mit mehr Aktivität, als gut für sie war.
Am frühen Morgen öffnete sich plötzlich die Tür.
Sie schreckte wie aus tiefer Trance hoch. An der Schwelle stand Balasar Inikord. Der Friedensstifter trug einen weiten, schwarzen Umhang, dazu Stiefel und Stulpenhandschuhe in dunkelblauer Farbe. Hagea hatte bei den Blues und auch bei den Völkern des Galaktikums mehrfach hochgestellte Soldaten gesehen - und genauso wirkte Imkord. Wie ein Soldat. Tiefer konnte ein Linguide nicht sinken, dachte sie. „Sei leise", bat sie mit gedämpfter Stimme. „Wecke die anderen nicht." Mit einer Hand deutete die Friedensstifterin auf die nur halb angelehnten Türen.
Doch Imkord dachte nicht daran, seine Lautstärke zu mäßigen. „Was habt ihr mit Slocum gemacht?" /Slocum? Woher wußte der andere davon? Hagea war jetzt sicher, daß sie überwacht wurden. Irritiert schaute sie ihm in die Augen, die eine brillenförmige, strenge Tonsur umgab. „Was interessiert sich ein Balasar Imkord für diesen kleinen Mann?"
„Gar nicht", antwortete der andere mit brutaler Offenheit. „Ich interessiere mich für das Prinzip. Slocum war der Bevollmächtigte für dieses Haus. Und nun hat dieses Haus niemanden mehr, der die Verantwortung trägt. Das widerspricht unseren Anweisungen."
„In diesem Haus ist ein Bevollmächtigter nicht nötig", antwortete Hagea frostig. „Nimm deine Anweisungen zurück!"
„Nein."
Hagea blieb äußerlich ruhig sitzen. In diesem Augenblick fühlte sie sich Imkord chancenlos unterlegen. Aber sie hatte nicht die Absicht, auch nur um einen Fingerbreit zurückzuweichen. „Das wird Konsequenzen haben ...", drohte der andere. „Sei still", fuhr sie ihm über den Mund. „Der große Balasar Imkord hat nicht die Zeit, sich um einen Hausbevollmächtigten zu kümmern. Halt, warte, bevor zu gehst - ich habe etwas für dich."
Hagea ließ den'Syntron einen Datenträger mit dem bespielen, was sie in der Nacht vorbereitet hatte. Sekunden später warf sie Imkord den kleinen Kristall zu.
Der Linguide fing ihn geschickt auf. „Was ist das?" fragte er. „Meine Sendung von Drostett, die angeblich ein so schreckliches unbewußtes Echo gefunden haben soll?"
„Nein. Nur eine Zustandsbeschreibung. Sie ist streng geheim. Euer Reich zeigt deutliche Auflösungserscheinungen.
Paßt gut auf, wenn ihr es behalten wollt."
„Das ist nicht wahr."
„Doch. Euer Volk wehrt sich. Es will nicht länger Dinge tun, die gegen seine Natur gehen."
„Das Volk, wie du es so hochtrabend nennst, wird tun, was wir ihm sagen. Die Linguiden können nicht anders, weil sie den Friedensstiftern vertrauen."
„Du hast recht, Balasar, aber nur bis zu einem gewissen Grad! Ihr habt die Grenzen der Gutwilligkeit erreicht. Denn schon jetzt bildet sich in Sharinam eine Revolutionsbewegung."
„Ich nehme an, daß du das beweisen kannst."
„Nein, noch nicht. Du wirst auch in den Daten keinen Hinweis finden. Aber gemeinsam mit Alaresa und Nonari werden wir die Rädelsführer für euch ausfindig machen.
Glaube nicht, daß wir das gern tun. Aber unsere einzige Hoffnung ist nicht die Revolution, die vielleicht sogar Blutvergießen fordern würde - sondern euch zu überzeugen."
„Darüber reden wir, wenn die Führer gefunden sind. Wie weit sind die Vorbereitungen für eure Sendung gediehen?"
„Übermorgen ist es soweit."
„Gut. Ich werde den Sendeleiter der TV-Station unterrichten, daß er Vorankündigungen bringen soll. Ab heute abend alle zwei Stunden. Ich hoffe, ihr seid dann wirklich fertig."
„Dafür garantiere ich", sagte Hagea zweideutig. „Die neue Sendung wird einen durchschlagenden Erfolg bringen." .Balasar Imkord drehte sich ruckartig um und verschwand.
Sekunden später stand die Tür zu einem der Schlafräume vollständig offen. Zum Vorschein kam Nonari Vojerina. Ihre grazile Gestalt hatte sie in ein weiches Tuch gehüllt, die Stimme klang verschlafen. „Er hat den Köder ebenfalls geschluckt, nicht wahr?"
„Ja, das hat er", gab Hagea Scoffy nachdenklich
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