159 - Magie der Rothäute
unsere Möglichkeiten geringfügig aus."
„Sensationell wird's trotzdem nicht werden", knurrte Tim. „Meinst du, daß sich dieses Vieh womöglich auch noch verwandeln oder zurückverwandeln kann? Ein Werkodiak, der wie ein Werwolf agiert?"
„Frage mich nicht. Um mit deinen Worten zu sprechen: Auch ich rechne mit dem Schlimmsten." Sein Blick ging zu der schweren Waffe an Mortons Schulter. Die Smith & Wesson hing schwer im offenen Halfter.
Seine Waffe lag an der Tischkante. Die Mündung deutete auf die Glasscheibe, hinter der im gelben Licht die Flockenwirbel sich drehten. Es schüttete den Schnee geradezu herunter.
Tim hob das Glas, trank, bemerkte Jeffs Blick und sagte in ein Mozart-Adagio hinein: „Das kann morgen einen Meter oder mehr Schneehöhe haben. Selbst für die Snowcats kein leichtes Fahren." „Wir schaffen es, Mann!" tröstete ihn Parker.
Tim grinste kläglich und antwortete: „Wir sollten erst einmal ein anständiges Abendessen schaffen und nachher eine Dusche. Morgen müssen wir vermutlich Schnee schmelzen."
Jeff erkundigte sich später, welche Dosen geöffnet werden sollten. Sie einigten sich auf den Rest des Iceberg-Salats, auf New Yorker Spargelcremesuppe aus Parkers Luxus-Vorräten und auf eine mächtige Portion eingefrorenes Gulasch. Mit kalifornischem Rotwein.
Um neun Uhr lag Jeff Parker schnarchend im Bett hinter dem Paravent. Tim Morton putzte die Büchse, kontrollierte jedes bewegliche Teil mit übermäßiger Sorgfalt und hatte vor sich das kleine Funkgerät.
Kanal neunzehn war geschaltet. Er erwartete jede Sekunde das schrille Summen des Apparats.
Aber bis kurz vor Mitternacht schwieg der olivbraune Plastikkasten mit der ausgefahrenen Antenne.
Grey Demon, le Tueur, L'assassin hat Zeit.
Er ist überaus geduldig.
Und jetzt, in der Dunkelheit, verschmilzt er mit den Schneemassen.
Der Kodiak schob sich mit bedächtigen, kraftvollen Bewegungen durch den Schnee. Unter seinen Sohlen spürte er das schweigende Leben der halb gelähmten Fische, tief unter dem Eis. Er war dabei, einen unregelmäßigen Kreis um das große Haus mit den fünf Weißen darinnen zu vollenden. Jeden einzelnen Weg, jedes mögliche Versteck hatte er mehrmals geprüft.
Er wußte, was geschehen würde, wenn man die Toten fand, denn er wußte ebenso, daß die beiden Jäger auf seiner Spur ebenbürtige Gegner waren.
Sie kannten ihn!
Er kannte sie nicht genau, aber sein Instinkt, in einigen hundert Sommern und Wintern geschärft, schilderte ihm die Gefahr, die von ihnen und ihren Waffen ausging.
Aber Grey Demon ist listenreich.
Er vereinte in sich das Wissen von fünf Dutzend erfahrenen Beothuk-Jägern.
Er stapfte weiter. Die runden Ohren bewegten sich und lauschten auf jeden Laut jenseits des Windes und der eigenen Schritte.
Nichts. Grauer Dämon ist allein mit seinen Opfern.
Er kannte die Eingänge, die massiven Mauern und die leicht zu durchbrechenden Stellen des Hauses. Er wußte, wo sich die weißen Jäger befanden. Er würde die Squaws nicht töten, wenn es nicht unumgänglich war. Aber sie würden einen furchtbaren Schrecken davontragen. Einen ebensolchen Schrecken wie die letzten seines Stammes.
Und nach dem Überfall, fünf Nächte danach, war endlich wieder Vollmond. Für diese Zeit hatte er sich sein Versteck ausgesucht - ein menschliches Versteck.
Unaufhörlich fiel der Schnee aus der Finsternis.
Schlafen, Grey Demon. Ausruhen vor dem entscheidenden Schlag!
Die Erregung des Angreifens, Zuschlagens und Tötens war im Lauf so unendlich vieler Winter längst vergangen. Nur noch schwach war der Abglanz des heißen Gefühls. Jetzt tötete Grey Demon kalt und planmäßig, mit der Profession eines Jägers mit unendlicher Geduld und ebenso großer Erfahrung. Längst hatte er aufgehört, die Opfer zu zählen. Ihre Zahl überstieg indessen weitaus die der dahingeschlachteten Beothuk.
Nun trat Grey Demon in seine eigene Spur. Rechts und links türmten sich die Schneeverwehungen immer höher. Sie schützten seinen Körper vor der Kälte, die der Wind brachte. Grey Demon ahnte, daß die Weißen seinen Angriff für diese Nacht erwarteten.
Grey Demon ist voller List. Er wiegt sie in Sicherheit. Dann schlägt er zu.
Der Kodiak schüttelte den Schnee aus dem langzottigen Fell und wurde schneller. Heiß fauchte der Atem aus dem Rachen und den runden Nasenlöchern und bildete unsichtbare Dampffahnen.
Der Kodiak verließ seine Spur über den See, hastete den Abhang nördlich des Hauses hinauf und achtete
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