1591 - Beschützer aus dem Jenseits
durchziehen werde. Bis zum bitteren Ende für dich!«
Während des Sprechens hatte er sein Messer bewegt und es näher an das Gesicht der jungen Frau herangebracht. Auf der blanken Klinge fing sich das Licht und verwandelte einige Stellen in ein blitzendes Funkeln.
Sanchez schaute sich um, bevor er zur Tat schritt. Er hatte nicht vergessen, was auf der Straße geschehen war. Das sollte ihm nicht noch mal passieren. Er wollte auf der Hut sein.
Zu sehen bekam er nichts.
Das gab ihm einen neuen Schub an Kraft, und er stellte eine Frage, die ihm schon länger auf der Seele brannte.
»Kannst du wirklich nicht aufstehen?«
»So ist es.«
»Dann muss ich dich aus dem Rollstuhl zerren. Und eines solltest du nicht vergessen. Ich schaffe dies auch mit einer Hand oder einem Arm. Mein Messer muss ich deshalb nicht einstecken.«
Alma Davies gab keine Antwort. Auch der Ausdruck der Panik war aus ihren Augen verschwunden. Gelassen und auch wie abgekämpft wirkend saß sie im Rollstuhl.
Aber sie hörte etwas, was diesem Sanchez verborgen blieb.
Die Stimmen ihrer Beschützer waren plötzlich da.
»Hab keine Angst.«
»Ja, wir sind bei dir.«
»Wir helfen dir…«
Alma konnte nicht länger schweigen. Zuerst bewegten sich wie suchend ihre Augen, dann drang die Frage als Flüstern aus ihrem Münd.
»Wo - wo seid ihr denn?«
Sanchez, der schon zugreifen wollte, zuckte kurz zurück.
»Was war das?«
»Ich - ich weiß nicht…«
»Du hast doch mit jemandem gesprochen?«
»Nein, ich…«
Plötzlich spürte sie die Spitze des Messers an ihrer Kehle. Ein winziger Schmerz, dann erschien eine Blutperle auf ihrer hellen Haut.
Das Gesicht des Eindringlings befand sich dicht vor ihr, und es hatte sich zu einer Grimasse verzogen.
»Ich bin nicht taub, du Schlampe. Du hast gesprochen, und ich will wissen, mit wem!«
»Du hast dich geirrt.«
»Soll ich dir ein Monogramm in dein Gesicht schnitzen?«
Sie schloss für einen Moment die Augen. »Nein, bitte nicht.«
»Dann will ich die Wahrheit hören.«
Alma öffnete die Augen wieder. Das widerliche Gesicht nahm nicht ihr gesamtes Blickfeld ein, sie schaffte es, daran vorbei zu sehen und hatte Mühe, einen Laut der Überraschung zu unterdrücken.
Sanchez war trotzdem etwas aufgefallen.
»He, was hast du?«
»Dreh dich um!«
Er zog das Messer von ihrer Kehle zurück.
»Warum sollte ich das?«
Jetzt brach es aus Alma hervor.
»Weil du dann deine Henker sehen kannst, du elender Bastard!«
Ihm so zu antworten, war ein Risiko gewesen. Der Kerl hätte auch die Beherrschung verlieren und zustechen können. Er tat es aber nicht, sondern drehte sich tatsächlich um.
Vor ihm standen drei Geister aus dem Jenseits!
***
Alma Davies sah das Gesicht des Mannes nicht mehr. Sie konnte sich aber vorstellen, wie sich in ihm Angst und Überraschung widerspiegelten.
Ein Strom der Freude schoss durch ihren Körper und gab ihr die Kraft, etwas zu unternehmen.
Der Rollstuhl rollte vor, und wenig später rammten die Fußstützen in Sanchez’ Waden.
Sanchez wurde davon völlig überrascht. Er konnte sein Gleichgewicht nicht mehr bewahren. Der Stoß trieb ihn nach vorn, und so taumelte er auf die drei zusammenstehenden und so verschieden aussehenden Geistwesen zu, die nur darauf gewartet zu haben schienen.
Sie waren feinstofflich, aber es gab Momente, da waren sie in der Lage, diesen Zustand zu ändern. So ein Augenblick war jetzt gekommen.
Sie griffen zugleich zu, und sie behinderten sich dabei nicht einmal.
Sanchez konnte nicht einmal mehr schreien.
Eine bleiche Hand hatte sich auf seinen Mund gelegt und presste ihn hart zusammen.
Eine andere Hand packte seine Beine. Sie führte sie zusammen, und Sekundenbruchteile später hörte Alma ein Knacken.
Sie zuckte zusammen. Dann schloss sie die Augen. Sie wollte nichts mehr sehen, aber sie hatte vergessen, die Hände gegen ihre Ohren zu pressen.
Und so hörte sie Geräusche, die einfach nur schrecklich waren.
Ihnen entnahm sie, dass Sanchez keine Chance hatte. Da eine Hand auf seinem Mund lag, konnte er auch keinen Schrei ausstoßen.
Plötzlich waren die Geräusche vorbei.
Stille trat ein.
Es war eine besondere Stille, wie sie nur der Tod bringen konnte. Kein Atmen, kein Stöhnen, einfach nichts. Nur eben diese dichte Stille, die anhielt, und so brachte Alma schließlich den Mut auf, ihre Augen wieder zu öffnen.
Sie blickte nach vorn und sah zwischen sich und der Zimmertür den Mann liegen. Er bewegte sich nicht mehr. Auch wenn
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