1593 - Der Hexentöter
versteckt im Norden der Stadt lag.
Ein wenig wehmütig war sie schon. Sie hatte in den letzten Monaten viel gearbeitet, aber es hatte sich auch gelohnt. Nicht nur wegen der Einnahmen, ihr waren viele von der Nationalität unterschiedliche nette Menschen begegnet, mit denen sie sich bestens verstanden hatte. Das war jetzt für eine gewisse Zeitspanne vorbei. Nur würde sie sich nicht langweilen. Schon jetzt lagen einige Anmeldungen von Leuten vor, die sie aufsuchen wollten.
Und doch huschte ein etwas verloren wirkendes Lächeln über ihr Gesicht. Es würde die kalte Jahreszeit kommen, und die mochte sie nicht so gern.
Sie drückte die Zigarette aus und nahm den Aschenbecher mit hinter die Theke. In den Regalen standen noch die Flaschen, während die Kühlfächer bereits ausgeräumt waren. Sie wusste, dass sie die Flaschen noch einpacken musste, um sie an einen anderen Ort zu schaffen.
Sollten Einbrecher kommen, dann würden sie nichts finden, was sich lohnte, mitzunehmen.
Zwei Kisten standen hinter der Theke bereit, in die sie die Flaschen verstauen konnte. Das war alles kein Problem, und sie kannte auch jemanden, der ihr beim Transport helfen würde.
Als sie sich umdrehte, um den Aschenbecher zu leeren, fiel ihr Blick in den alten Spiegel, der in der Mitte der Theke an der Wand zwischen den beiden Regalen hing. Sie schaute hinein und sah ihr Gesicht, in dem die Anstrengungen der letzten Monate Spuren hinterlassen hatten, was aber wieder verschwinden würde. Die Dreißig hatte sie längst überschritten.
Noch zwei Jahre, dann stand die Vier vor ihrem Lebensalter, was nicht tragisch war, wenn sie weiterhin gesund blieb.
Das maisgelbe Haar hatte sie zu einem Bürstenschnitt stutzen lassen.
So ersparte sie sich den einen oder anderen Gang zum Friseur. Sie schaute in ein schmales Gesicht mit etwas blassen Augen und einem dünnen Mund.
Die gefütterte Weste ließ nur wenig von ihrer Figur erkennen, deren Beine in einer Thermohose steckten, die sie gegen den oftmals kalten Wind schützte, der um diese Jahreszeit fast immer über die Wasserfläche fegte.
In einer Stunde war sie fertig und würde das kleine Lokal endgültig verlassen können.
Sie wollte damit anfangen, die Flaschen aus dem Regal zu räumen und in die Kisten zu packen, als etwas sie überfiel, was sie nicht erklären konnte. Es war ein Schauder. In ihrem Fall ein Schauder der Angst, der sie erbleichen ließ.
Sheena richtete sich wieder aus ihrer gebückten Haltung auf und schaute zur geschlossenen Tür, aber dort sah sie nichts. Es gab niemanden, der ihr kleines Lokal beteten wollte, zumal das Schild closed außen vor der Tür hing.
Aber ihr Herz klopfte schneller. Der Druck in ihrem Innern nahm zu. Das erlebte sie nicht zum ersten Mal, aber nie war das Gefühl so schlimm gewesen wie jetzt.
Sheena Wild glaubte, von einem unsichtbaren Vorhang der Angst umgeben zu sein. Dass sie zitterte, konnte sie nicht vermeiden.
Sie wusste ja, dass sie etwas Besonderes war. Wesentlich sensibler als die meisten Menschen, und sie war in ihrem Leben auch einen bestimmten Weg gegangen, der sie zu den Hexen hingeführt hatte.
Moderne Hexen!
Frauen, die sich selbst verwirklichen wollten und dabei besondere Wege gingen.
Keine Hexen, wie man sie aus Bilderbüchern kannte und die Kindern Angst machen sollten. Diese neuen Hexen waren etwas völlig anderes, aber auch sie besaßen Feinde.
Und das spürte sie jetzt überdeutlich. Was sie hier erlebte, das war ein feindlicher Angriff, dem sie nichts entgegenzusetzen hatte und ihn so hinnehmen musste.
Nach wie vor konzentrierte sich Sheena auf die Tür. Sie glaubte daran, dass sich dahinter und im Freien etwas abspielen würde, das mit ihr zu tun hatte.
Jetzt überlegte sie, ob die Tür abgeschlossen war oder einfach nur geschlossen. Sie wusste es nicht und traute sich auch nicht, dorthin zu gehen.
Ihre Gedanken drehten sich plötzlich um ein Versteck. Das gab es hier, denn auch ein kleines Lokal wie dieses musste Toilettenräume haben.
Der Zugang zu ihnen lag seitlich an der Rückseite der Theke, also hinter ihr. Mit ein paar Schritten würde sie ihn erreicht haben.
Das tat sie nicht, behielt es nur im Kopf und schaute ansonsten über die Theke hinweg nach vorn zur Tür.
Nichts war zu hören. Nichts Fremdes. Nur das Klatschen der Wellen, wenn sie das Ufer erreichten und dort ausliefen.
Noch immer das Warten. Sie konnte ihr Starre selbst nicht begreifen.
Eigentlich hätte sie…
Ihre Gedanken rissen ab.
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