1596 - Abgrund der Zeit
können, muß ich meine Sprechgeschwindigkeit um mehr als das Zweifache verlangsamen. Kannst du mit dieser Information etwas anfangen?"
„Ja", stöhnte Myles auf. Aus den Augenwinkeln nahm er das blitzartige Erlöschen von Satos Hologramm wahr, „Es ist der Takvorianismus. So hat Notkus es damals genannt."
„Du hast recht. Es stimmt mit früheren Erscheinungen überein. Soeben erhalte ich aus dem Medo-Center von Terrania-Nord die entsprechenden Daten. Möchtest du einen Arzt oder soll ich den Medo-Roboter aktivieren?"
„Letzteres ja. Er soll mir Blut entnehmen und es auf die Zahl der weißen Blutkörperchen hin untersuchen.
Ich brauche das Ergebnis so schnell wie möglich."
„Deine Sprechgeschwindigkeit ist inzwischen auf ein Drittel des Normalwertes gesunken", informierte der Syntron ihn. „Es ist ein stetig voranschreitender Prozeß."
Myles wußte es. Damals hatten sich seine Körperfunktionen um das Viereinhalbfache verlangsamt.
Jetzt rechnete er mit derselben Intensität. Und er ahnte, welchen Zusammenhang es gab. Die Natur seines Körpers forderte ihr Recht. Er hatte sein Gehirn in letzter Zeit stark belastet und auch die Körperfunktionen wie Herzschlag, Blutdruck und Geschwindigkeit der Neuronen in den Nervenbahnen in diesen Temposog mit hineingerissen. Jetzt kam der Ausgleich, und alle Funktionen einschließlich der seiner Gedanken liefen mit mehrfach verminderter Leistung ab. Vermutlich war es nur seinem jugendlichen Alter zuzuschreiben, daß der Körper eine solche Strapaze aushielt.
Enza hatte vollkommen recht, wenn sie immer wieder andeutete, daß jede dieser Gewaltkuren sein Leben um einen bestimmten Prozentsatz verkürzte.
Eine schnelle Bewegung entstand seitlich von ihm, eine zweite folgte. Es tat ihm in den Augen weh, und er rief etwas. Die Bewegungen hörten auf, und er sah Enza und Kallia stehen und ihn anschauen. „Achtet nicht auf mich", sagte er in dem Bewußtsein, daß der Syntron seine Worte augenblicklich aufnahm und mit mehrfacher Geschwindigkeit wiedergab. In umgekehrter Weise geschah es mit den Worten seiner Mutter und seiner Freundin. „Der Automat hat uns schon beim Anflug verständigt", sagte Enza. „Du darfst nicht weiterarbeiten.
Du mußt dich schonen, Myles. Wir dürfen nicht zulassen, daß du dich mit deiner Arbeit ruinierst."
„ES ist derzeit wichtiger. Was zählt schon ein einzelnes Menschenleben. Setzt mich in meinen Fahrstuhl und bringt mich auf die Terrasse. Ich brauche frische Luft, das ist alles."
Der Zentralsyntron des Hauses lenkte das Kantormobil herbei, und sie setzten Myles zu zweit hinein.
Er lehnte sich zurück und genoß es, außerhalb des Hauses zu schweben und der mit hoher Geschwindigkeit gegen den Strand rasenden Brandung zuzusehen. Für das Tempo, mit der sie es tat, waren die Wellen viel zu klein, ein Effekt seiner verlangsamten Beobachtungsfähigkeit.
Der Abend kam, und die Dämmerung vollzog sich so schnell wie sonst nie. Myles gab einen Befehl und steuerte das Mobil hinein ins Haus. Enza war nach Terrania geflogen, um bei einem biologischen Experiment dabeizusein. Kallia kümmerte sich um Myles und liebkoste ihn lang und innig, und er lachte befreit auf in dem Gedanken, daß es für ihre Ohren wie ein Donnergrollen klingen mußte. „Wir haben den
3.
März. Noch zwei Tage, dann ist es soweit", flüsterte er, so schnell er konnte. „Ich kann es kaum erwarten."
Wenig später rief er: „O nein, nicht jetzt!"
Er streckte die Arme nach ihr aus, aber er war zu langsam, um Kallia noch zu erreichen. Vor seinen Augen wurde es schwarz. Myles Kantor verlor das Bewußtsein. Er hatte Geist und Körper zu sehr strapaziert
4.
Etwas war nicht in Ordnung. Sato spürte und wußte es. Es hing nicht mit Myles' Bewußtlosigkeit zusammen, eher schon mit der Wandereruhr. Kallias Worte hatten seine Bedenken ausgelöst, und Sato Ambush ging unruhig in seinem Labor umher.
Am fünften März sollte etwas geschehen. So hatte Myles es gegenüber seiner Freundin angedeutet.
Dann war er von der Verlangsamung seiner Körperfunktionen überrascht worden und hatte dieses Thema nicht mehr weiterverfolgt.
Der fünfte März war heute.
Sato eilte in den Projektionsraum und schaltete den Projektor ein. Er betrachtete die Wandererbahn für den fünften März, aber er konnte nichts Besonderes feststellen. Die Bahn veränderte sich zwischen dem zweiten und achtzehnten März überhaupt nicht.
Was nichts besagen wollte, denn die Projektion arbeitete
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