1598 - Allein unter Zombies
auch das Feuer kein Leben mehr einhauchen konnte.
Sie waren in der Tat keine Menschen mehr, auch wenn sie so aussahen.
Und sie verhielten sich wie immer. Gemeinsam erreichten sie den Rand des Feuers. Sie ließen sich dort nieder. Einige kippten dabei zurück, aber keiner fiel ins Feuer. Sie alle richteten sich auf und blieben in bestimmten Stellungen hocken.
Manche sehr gerade, andere wieder schräg, sodass es aussah, als würden sie im nächsten Augenblick umfallen.
Ich bin beruhigt!, dachte Emilio, der so lange gewartet hatte, bis alle saßen. Meine Unruhe war wohl falscher Alarm. Auch in dieser Nacht würde er wieder der Retter der Menschen sein. So lange er sie hier festhielt, würden sie nicht todbringend in den Ort einsickern und die Menschen dort vernichten.
Sie saßen nicht alle gleich dicht nebeneinander. Zwischen ihnen gab es größere Lücken, und eine suchte sich Emilio aus, um dort Platz zu nehmen.
Sie ließen es zu. Keiner griff ihn an.
Der Zombie an seiner rechten Seite kippte ihm sogar entgegen und legte seinen Kopf gegen Emilios Schulter. Wäre er eine Frau gewesen, hätten beide ausgesehen wie ein verliebtes Paar.
Es war wohl das ungewöhnlichste Bild, das sich ein Mensch vorstellen konnte, wenn er an Zombies glaubte. Hier war alles auf den Kopf gestellt worden. Keine der lebenden Leichen wollte dem Menschen etwas tun.
Das gab es nicht, und weil es trotzdem so war, musste es sich bei Emilio um einen besonderen Menschen handeln, denn ein Zombie war er nicht.
Dafür jemand, der im Kloster lebte unter seinen wenigen noch verbliebenen Brüdern.
Jetzt saß er wieder zwischen ihnen. Er warf ein paar Holzstücke ins Feuer und schaute zu, wie die Flammen neue Nahrung erhielten und gierig danach leckten.
Wie immer, wenn sie um das Feuer saßen, wollte er ihnen ein Versprechen abnehmen.
Er wusste nicht, ob sie ihn richtig verstanden. Das war ihm auch egal.
Wichtig war, wie sie auf seine Worte reagierten.
»Die Menschen wissen, wer ihr seid. Sie kennen euren Fluch, euer Schicksal, aber ihr wisst auch, dass ihr ihnen keinen Vorwurf machen dürft. Sie tragen nicht die Schuld an dem, was aus euch geworden ist. Deshalb verschont sie. Es muss euch genügen, mich zu sehen und mich unter euch zu wissen.«
Es waren bis auf wenige Ausnahmen fast immer die gleichen Worte, die der junge Mönch sagte. Bisher waren sie auf fruchtbaren Boden gefallen, und die Zombies hatten sich daran gehalten.
Das hätte auch heute so sein müssen, aber plötzlich wurde er das Gefühl nicht los, dass es eine Veränderung gegeben hatte. Sie war nicht sichtbar, doch Emilio hatte den Eindruck, dass sich seine seltsamen Begleiter anders verhielten als sonst.
Zu bemerken war nach außen hin nichts. Die Gestalten blieben auf ihren Plätzen hocken, und doch war es anders als sonst.
Etwas stimmte nicht zwischen ihnen. Das war nur für einen Fachmann zu erkennen, und Emilio kannte sie lange genug, um zu wissen, dass heute etwas verkehrt lief.
Es gab eine Unruhe, und die verstärkte sich sichtbar. Kein Zombie konnte mehr normal sitzen bleiben. In jedem von ihnen breitete sich eine spürbare Unruhe aus.
Der Untote an Emilios rechter Seite zog den Kopf von seiner Schulter zurück und setzte sich aufrecht hin. Sein weit geöffneter Mund war gegen das Feuer gerichtet. Es sah so aus, als wollte er im nächsten Moment dort hineinspucken. Sein Körper schwankte leicht. Die Augen blieben starr, und plötzlich gab er sich einen Ruck, der ihm vom Feuer weg nach hinten trieb.
Er fiel auf den Rücken, drehte sich sofort danach zur Seite und stemmte sich in die Höhe.
Ja, so standen sie auf.
Das kannte Emilio.
Nur nicht so schnell. Normalerweise blieben sie länger mit ihm zusammen am Feuer hocken.
Dass sie sich jetzt anders verhielten, wunderte ihn schon, denn auch die übrigen fünf Gestalten waren von dieser Unruhe erfasst worden und kippten ihre Körper jetzt nach hinten, um sich dann auf die gleiche Weise zu erheben, wie es der Erste getan hatte.
Emilio begriff die Welt nicht mehr.
Warum taten sie das? Was trieb sie dazu?
Er fasste es nicht, und er spürte, wie eine eisige, unsichtbare Hand über seinen Rücken fuhr.
Er fürchtete sich nicht vor ihnen, er wunderte sich nur über ihr Verhalten, und das sorgte bei ihm für dieses miese Gefühl.
Er sprach sie an, obwohl sie ihn bestimmt nicht hörten.
»He, was soll das? So verläuft unser Treffen sonst nie. Ich bin es, der den Kreis auflöst. Was habt ihr nur? Es ist doch alles
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