1598 - Allein unter Zombies
angewiesen. Wir haben einen Einstieg gefunden oder einen Zugang.«
Voltaire war ganz gespannt. »Und wo führte der hin?« Er verengte die Augen. »Etwa in die Hölle?«
»In die Tiefe, in die Finsternis. Wir haben nichts Konkretes gesehen, aber wir wussten, dass dort etwas lauerte. Es war zu spüren. Es war eine böse Macht. Etwas Grauenhaftes hat sich dort niedergelassen. Ich kann es nicht beschreiben, ich habe es nur gespürt und noch nie eine derartige Angst in meinem Leben gehabt…«
Auch jetzt in der Erinnerung war zu erkennen, dass der Abt darunter litt.
Über seine alte Haut lief ein Schauer, und er faltete die Hände. Dabei schüttelte er sich, als hätte man Wasser über seinen Körper gegossen.
Ich hakte trotzdem nach, weil mir ein bestimmter Verdacht gekommen war.
»War es wirklich nur schwarz und finster, oder haben Sie vielleicht so etwas wie die Andeutung einer Farbe gesehen?«
»Wie kommen Sie darauf?«
Ich gab keine konkrete Antwort. »Ist es vielleicht die Andeutung einer blauen Farbe gewesen?«
In diesem Augenblick sprang Emilio von seinem Stuhl hoch.
»Ja!«, schrie er. »Das ist es gewesen! Fast ein Licht, ein grausam kaltes Licht, und ich habe die blaue Farbe gesehen. Es war keine richtige Farbe, ich weiß auch nicht, wie ich es nennen soll. Es war eine urböse Kraft. Es muss der Blick in die Hölle gewesen sein.«
Er fiel wieder zurück auf seinen Stuhl, und jetzt war sein Gesicht schweißnass.
Seine Worte hatten mir die Augen geöffnet. Die beiden Mönche mussten nicht mehr viel erklären. Indirekt hatte Emilio einen Blick in die Hölle geworfen. Auch wenn er dort keinen Teufel mit Dreizack gesehen hatte, der irgendwelche Sünder malträtierte, aber er hatte etwas gesehen, das seit Beginn der Zeiten Bestand hatte und das Gegenteil dessen war, nach dem die Menschen streben sollten.
Es passte alles zusammen. Das blaue Licht, die Urangst, die es auslöste. Dafür gab es nur einen Begriff.
LUZIFER!
Ich hielt mich mit einem Kommentar zurück, um meine Gedanken zu ordnen. Der Erzfeind. Das absolut Böse, mit dem ich schon mehrmals konfrontiert worden war. Der gefallene Engel, der gottgleich hatte sein wollen und sich nicht mit seiner Niederlage zufrieden gab, denn er versuchte immer wieder, seinen Einfluss geltend zu machen.
Seine Kraft und seine Macht waren überall zu finden, auch in den Tiefen der Erde wie hier unter dem Kloster, und sie hatte es geschafft, die Menschen zu beeinflussen.
Da waren die Gesetze auf den Kopf gestellt worden. Ich kannte Menschen, die sich freiwillig auf die andere Seite schlugen, aber es gab auch genügend, die dazu gezwungen wurden.
War das auch hier so gewesen? Hatten die Menschen, die im Keller elendig verhungerten, in ihrer Verzweiflung eine Botschaft an die Hölle geschickt?
Oder war dieser Stützpunkt schon vorher vorhanden gewesen?
Alles war möglich.
Für mich war es nicht von Bedeutung. Es zählte allein, dass die Geschöpfe befreit worden waren. Emilio hatte es getan, ohne zu wissen, welche Folgen es hatte, und ihm war die andere Seite dankbar gewesen, denn von allein hätten sie niemals freikommen können.
Zombies sind Gestalten, die töten wollen, die Menschen hassen, weil diese anders sind. Der höllische Trieb war ihnen nicht auszutreiben. Sie mussten vernichtet werden, und das hatte ich mit dem Schuss aus der Beretta bei einem von ihnen bereits geschafft.
Doch die anderen fünf waren noch unterwegs, und ich glaubte nicht, dass sie ihrem Freund Emilio noch gehörchen würden. Sie waren so weit, dass sie ihren eigenen Weg gingen.
Voltaires Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
»He, mon ami, was ist los?«
»Wieso? Was meinst du damit?«
»Du bist so in Gedanken versunken gewesen. Weißt du eventuell mehr über das Kloster hier?«
»Nein, nein…«
»Aber du glaubst dem Abt?«
Ich schaute Gaston an.
»Ja, ich glaube ihm. Ich weiß zudem, dass es Vorgänge gibt, die diesem hier ähnlich sind. Hinter den lebenden Leichen steckt oft eine Macht, die wir alle kennen und vor der wir große Furcht haben.«
»Die Hölle!«, sagte der Abt mir Grabesstimme. Ich nickte.
Dafür lachte Maurice auf. Er hielt sein erneut gefülltes Glas in der Hand und hob es an.
»Worauf sollen wir trinken?«, rief er. Seine Stimme klang schon unsicher. »Sollen wir auf die Hölle und den Teufel trinken? Oder darauf, dass diese Nacht eventuell die letzte in unserem Leben sein wird?«
Er setzte das Glas an und kippte den Inhalt mit einem Ruck in seine
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