1599 - So rächt sich eine Horror-Braut
verschmutzt war.
Dave Turner holte ein Tuch aus der Jackentasche und wischte einen Teil der Scheibe frei.
Jetzt war die Sicht besser.
Er trat noch dichter an die Scheibe heran und hielt den Atem an, weil er keinen Hauch produzieren wollte. So blieb seine Sicht einigermaßen klar.
Da die Blockhütte mehrere Fenster hatte, war es drinnen nicht dunkel. Er konnte einiges erkennen, besonders den großen Tisch. Auf ihm hatte der Tote gelegen. Er hätte jetzt frei sein müssen.
Das war er nicht.
Auf ihm lag ein Mensch.
Es war Eva, Daves Frau!
***
Er sah sie völlig starr liegen und wollte es nicht glauben. Dabei hatte er den Eindruck, dass die Kälte von den Füßen her in seinen Körper stieg und sich vorarbeitete bis in seinen Kopf hinein, um auch das Denken einfrieren zu lassen.
Trotzdem konnte er den Blick nicht abwenden. Die schreckliche Szene zog ihn magisch an. Er sah sogar den Lederriemen, der über Evas Leib gespannt worden war und sie daran hinderte, sich zu erheben.
Es war so grauenvoll, so anders. Nie hätte er mit einer solchen Szene gerechnet. Was er da sah, das kam einem Horror gleich, den er nicht beschreiben konnte.
Aus seinem Mund drang ein Schluchzlaut, der all das Grauen wiedergab, das er in diesen Momenten erlebte.
Eva bewegte sich nicht. Da war nicht mal ein Zucken der Finger zu sehen. Sie lag so da, wie er auch den Mann gefunden hatte. Völlig bewegungslos, eben wie eine Tote.
Er weinte, ohne dass er es richtig merkte. Mit beiden Händen klammerte er sich an der Fensterbank fest und traute sich nicht, zur Tür zu gehen, um sie zu öffnen.
Dave Turner wusste nicht, wie lange er vor dem Fenster gestanden und sich an der Außenwand festgeklammert hatte. Irgendwann war dann das dumpfe Gefühl in seinem Kopf verschwunden. Er atmete wieder durch.
Dann hörte er hinter sich ein Geräusch. Er kannte es. So ging jemand, wenn er beim Laufen mit seinen Füßen das Laub aufwirbelte.
Wer kam da?
Der Mörder?
Er wollte es gar nicht wissen. Hätte er sein Gewehr bei sich gehabt, wäre es anders gewesen, doch dann drängte es ihn, sich umzudrehen, und seine Augen weiteten sich, als er die blondhaarige Frau vor sich stehen sah.
Er hatte sie noch nie gesehen. Sie trug auch keine Waffe und machte keinen gefährlichen Eindruck. Dennoch zuckte Dave zusammen, weil er davon ausging, dass sie mit dem Schicksal seiner Frau unmittelbar verbunden war.
Ihm fielen die dunklen Brauen in ihrem Gesicht auf, und darunter der kalte Blick. Er stufte sie als eine Person ein, bei der er sofort auf Distanz ging.
Die Fremde öffnete den Mund und sagte zur Begrüßung nur einen Satz: »Deine Frau ist nicht tot!«
***
Obwohl der Satz leise gesprochen worden war, hatte Dave alles verstanden.
Trotzdem war er nicht erleichtert. In seinem Kopf jagten sich die Gedanken.
»Hast du mich verstanden?«
»Doch, doch.«
»Das ist gut«, sagte die Blonde. »Denn ab jetzt beginnt ein neues Spiel, und das ziehen wir nach meinen Regeln durch. Solltest du dich weigern mitzuspielen, ist deine Frau schneller tot, als du denken kannst. Ist das klar?«
»Ja, ich denke.« Er schluckte. »Aber was hast du mit ihr gemacht? Und wer bist du?«
Julia Potter winkte ab. »Wer ich bin, spielt keine Rolle. Ich bin da, und nur das ist wichtig. Alles andere wird sich noch ergeben, und das nach meinen Regeln.«
»Ja, ja, ich denke…«
»Ja, denke immer daran, dass du deine hübsche Frau nur retten kannst, wenn du genau das tust, was ich will.«
»Ja - aber darf ich zu ihr?«
»Nein!«
Er zuckte nach dieser Antwort zusammen. »Dann - dann weiß ich nicht, ob Eva wirklich noch lebt.«
Ein scharfes Grinsen glitt über die Lippen der Frau. »Du musst mir schon vertrauen. Ich leite hier das Spiel.«
»Und was soll ich tun?«
»Ganz einfach. Du wirst dich so verhalten, wie du es immer tust. Du setzt deinen Weg nicht mehr fort, sondern gehst zurück in dein Haus.«
»Warum soll ich…«
»Keine Fragen. Du gehst zurück und wartest dort.«
»Auf wen?«
Julia runzelte ihre glatte Stirn. »Ich denke, dass du bald Besuch bekommen wirst.«
»Und von wem?«
»Der Mann heißt John Sinclair. Er will den Fall des toten Tony Foster lösen. Man muss nicht viel Fantasie aufbringen, um zu wissen, dass er sich den Tatort anschauen möchte. Er wird vor allen Dingen mit dem Mann sprechen wollen, der den Toten entdeckt hat. Das bist du gewesen, und du kennst dich ja hier aus. Also wird dieser Mann von deinem Wissen profitieren wollen.«
Dave Turner
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