16 - Geheimagent Lennet läßt die Bombe platzen
steckte er eine Leuchtlupe, einen Chiffrierblock und etwas zu schreiben ein. Es sah aus, als wolle er gemütlich an Deck Spazierengehen. Unter seinen Füßen glucksten leise dreihunderttausend Tonnen Rohöl in den Tanks. Ein Glück, daß die Abdeckung so stabil ist, dachte der Geheimagent. Es ist bestimmt nicht lustig, in dieser dickflüssigen, stinkigen Schmiere herumzupaddeln.
Ganz vorn im Bug des Schiffes angekommen, ließ er sich nieder. Hier konnte er vor unliebsamen Überraschungen sicher sein. Keiner kam - außer auf Befehl - bis nach vorne.
In aller Ruhe baute Lennet die Antenne auf und rief den END über die Süd-Station. Seine Nachricht wurde bereits erwartet.
»Hier Weinessig zwei. Hören Sie mich?«
»Hier Süd-Station. Ich empfange Sie über fünf auf fünf", antwortete eine fremde Stimme auf französisch. Offenbar handelte es sich um einen neuen Funkoffizier, den Lennet nicht kannte und sehr wahrscheinlich auch niemals kennenlernen würde. Trotzdem wurde ihm warm ums Herz. Da sprach jemand die vertraute Sprache. Jemand, der wie er zum Nachrichtendienst gehörte.
»Sind Sie bereit? Ich habe eine Nachricht durchzugeben!«
»Ich bin bereit!«
»Zahlenschlüssel 444. Blatt Nummer 1.«
Indem er die Zahlenreihen auf dem winzigen Stückchen Zigarettenpapier verwendete, codierte Lennet die gesamte Meldung in unverständliche Ziffernfolgen. Das System war ebenso einfach wie wirkungsvoll. Den Zahlenschlüssel gab es nur in zwei Ausfertigungen. Den einen beim FND und den anderen bei Lennet.
Das erste Wort der Botschaft war »Weinessig" gewesen.
Wenn man nun den Buchstaben ihre Zahl im Alphabet zuordnete: 23-05-09-14-05-19-19-09-07 und dazu die ersten Ziffern auf dem Zahlenschlüssel addierte: 08-01-21-03-14-06-07-11-13, kam man zur chiffrierten Form des Wortes Weinessig: 31-06-30-17-19-25-26-20-20.
Mit Hilfe des Zahlenblocks wurde also jeder einzelne Buchstabe codiert, und das System konnte von Nichteingeweihten nur mit Hilfe eines komplizierten computergesteuerten Dechiffriergeräts entschlüsselt werden.
Lennet zerriß den Zahlenblock, als er seine Nachricht weitergegeben hatte. Er wartete auf die Antwort.
Einer der Grundregeln des Französischen Nachrichtendienstes zufolge wurde jeder Agent, bevor er eine neue Mission zu erfüllen hatte, bestens eingewiesen. Er erhielt alle Informationen, die für ihn nützlich und wichtig sein konnten. Ja, mehr als das. Alles, was dem FND bis zu diesem Zeitpunkt bekannt war, wurde ihm mitgeteilt. Das vermied unnötige Risiken für den Agenten, und es schuf eine Basis gegenseitigen Vertrauens zwischen Untergebenen und Vorgesetzten, was sich besonders günstig auf die gefährliche und schwierige Arbeit auswirkte. Sicherlich gab es auch Offiziere, speziell im Bereich »Nachrichten", die für eine strengere Geheimhaltung eintraten.
Aber Hauptmann Montferrand, der Chef der Abteilung Schutz und Sicherheit, zu der Lennet gehörte, war zum Glück nicht dieser Ansicht. Lennet konnte sich voll und ganz auf ihn verlassen, und er wußte, daß seine Nachricht unverzüglich bearbeitet wurde. Sobald ein Ergebnis vorlag, würde es ihm mitgeteilt werden.
Nach zwei Stunden tönte ein leises Fiepen aus dem Lautsprecher.
»Weinessig II, ich höre!« meldete sich der junge Geheimagent. »Hier Süd-Station. Ich sende die Nachricht!« Lennet notierte eine riesige Zahlenkolonne. Schließlich decodierte er die Antwort mit einem zweiten Ziffernschlüssel: Weinessig I an Weinessig II. Beschriebener Schaden scheint nicht durch Sabotage verursacht. Personen überprüft. Der einzige auf der Oleo I und Oleo II zum Zeitpunkt des Schiffbruches, jetzt an Bord der Oleo III, ist Kapitän Robarra. Die Maschinisten Ali M. Barka und Wallace Granger befanden sich auf Oleo II. Der Anfrage entsprechend Pablo Cellar, Pepe Volapie und Miguel Ramirez überprüft. Ergebnis morgen H-zwei. Druck von Seiten der großen Ölkonzerne möglich. Machen Sie weiter. Viel Glück. Ende.
Verräterische Putzaktion
Am nächsten Morgen ging es dem armen Pepe zum Glück etwas besser, und er konnte den Dienst in der Küche wieder antreten. Mit dem Erfolg, daß ihm ein Kochtopf auf den Fuß fiel, er sauberes Geschirr abspülte und das schmutzige ausgab und als Krönung noch einen Lukendeckel zerbrach, indem er eine schwere Suppenkelle etwas zu heftig nach einer vorwitzigen Ratte schmiß. Doch für den Rest des Tages gab es keine bedeutsamen Zwischenfälle mehr. Lennet nutzte die Abwesenheit seiner Kameraden, um die Sachen
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