16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
sein?“
„O, noch andere! Schau hinaus in den Hof, so wirst du auch die Söhne und Töchter der Frauen sehen.“
„Nun, so mag der Kiaja seinem Knecht befehlen, nicht zwei, sondern vier Hammel zu schlachten und sie den Frauen zu übergeben.“
„Herr, du fließest über vom Wohltun! Aber daß wir die Hauptsache nicht vergessen: wer bekommt die vier Felle?“
„Sie sollen unter die vier Tapfersten verteilt werden.“
„Da bin ich sicher, wenigstens eins zu erhalten. Nun aber möchte dein Gefährte seine Rede beginnen, denn der Eifer meines Kriegsvolkes wird kaum länger zu zügeln sein.“
Er zog sich mit seinen Musikanten in die vordere Stube zurück. Halef stellte sich unter die Verbindungstür und hielt seine Rede. Diese war ein kleines rhetorisches Meisterstück. Er war überaus freigiebig mit der Bezeichnung der Zuhörer als Helden, Unüberwindliche, Vortreffliche und warf dazwischen eine Fülle von sarkastischen Brocken, welche nur wir verstanden.
Als er geendet hatte, erklang ein Ton, über den ich so erschrak, daß ich von meinem Stuhl auffuhr. Das war, als ob ein halbes Dutzend amerikanische Büffel lebendig am Spieß steckten, um gebraten zu werden, und dabei ihr Schmerzgebrüll ausstießen. Auf meine Erkundigung antwortete der Wirt:
„Das war die Posaune. Sie blies zum Aufbruch.“
Die Stube leerte sich nun. Draußen vor dem Tor erklang die Stimme des Marschalls. Er teilte sein Heer in zwei Scharen, und dann setzten sich die Helden alle in Bewegung.
Einige kräftige Donnerstöße der Posaune leiteten den Sturmmarsch ein. Die Flöte tat, als ob sie einen Triller hervorbringen wollte, blieb aber stecken und verlief in ein wütendes Pfeifen. Die Trommel begann zu quirlen, dann fiel der Tamburin ein, von Geige und Gitarre aber war nichts zu hören. Ihre sanften, zarten Töne erstarben unter der Tonmacht der andern kriegsgewohnteren Instrumente.
Nach und nach wurden die Harmonien schwächer, je weiter das Heer sich entfernte. Es klang nur noch so, wie wenn der Sturm um eine Ecke heult, und dann verging es in einem hinsterbenden Piepen, wie wenn einem Leierkasten die Luft ausgeht.
Wir überließen die Tapferen ihrem Heldentum und zogen unsere Tschibuks hervor. Draußen im Hof loderten einige Feuer, an denen die Hammel gebraten werden sollten. Nicht ganz einen Taler das Stück. Eine solche Freigebigkeit konnte man schon einmal wagen.
Der Wirt hatte nichts zu tun. Er setzte sich zu uns, zündete sich auch eine Pfeife an und verlor sich in Vermutungen, ob einer der vier, auf die wir es abgesehen hatten, gefangengenommen würde – oder alle vier – oder gar keiner.
Es lag dabei ein Zug in seinem Gesicht, der mich auf eine kleine Verstecktheit schließen ließ. Er war ein ehrlicher Mann, das glaubte ich gern; jetzt aber verbarg er uns irgend etwas, was zu dem im schönsten Gang befindlichen Feldzug in Beziehung stand.
„Aber wenn sie nun Unglück haben“, sagte er, „was dann?“
„So bekommen wir die Halunken nicht.“
„Ich meine in Betreff des Bieres.“
„Das wird doch getrunken.“
„Und die Hammel?“
„Werden doch gespeist.“
„Du sprichst wie ein Weiser, Herr, denn wenn die Aladschy fort sind, hilft auch die größte Kühnheit nichts.“
„Der Marschall wird schon dafür sorgen, daß sie fortgehen. Seine Musik fordert sie dazu auf. Oder sollte er sie schon vorher gewarnt haben?“
„Gewarnt? Wie meinst du das?“
„Nun, er kann ja zu ihnen hinausgelaufen sein, um ihnen in aller Gemütlichkeit mitzuteilen, daß sie uns vergeblich auflauern, weil wir uns bereits hier bei dir befinden.“
Er sah mich forschend an, ob ich das wohl im Ernst meine.
„Effendi, was denkst du nur!“
„Etwas, was sehr leicht möglich, ja sogar sehr wahrscheinlich ist. Und bei dieser Gelegenheit hat er ihnen auch gesagt, daß sie ein wenig beiseite gehen sollen, weil er jetzt die Tapferen zu einem Angriff gegen sie zusammenrufen müsse.“
„Das wird er doch nicht getan haben. Das wäre ganz gegen seine Pflicht.“
„Wenn es ihm aber von dir befohlen worden wäre?“
Er errötete, blickte zur Seite und antwortete in unsicherem Ton:
„So etwas traust du mir zu!“
„Du siehst mir so ungemein pfiffig aus. Die große Sorge um deine Helden ist ganz und gar verschwunden, und der erste dieser Helden kam so spät, daß ich wirklich glaube, dein Zaptie hat einen kleinen Spaziergang hinaus nach den Büschen gemacht. Aber ich will dir deine Sorge für die Bewohner dieses Ortes nicht
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