Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
zum Vorwurf machen. Hoffentlich werden ihrer nur wenige getötet werden.“
    Ich sagte das in scherzhaftem Ton. Er antwortete, halb auf denselben eingehend:
    „Sie werden kämpfen, wie die Löwen. Solche Waffen wie ihr haben sie freilich nicht, aber sie wissen die ihrigen zu gebrauchen. Mit einer hiesigen Flinte könnte man nicht eine eiserne Krampe aus dem Holz schießen. Ich habe noch niemals ein solch schweres Gewehr gesehen.“
    Er nahm meine Büchse von der Wand, an welcher sie lehnte, und wog sie mit den Händen.
    „Wirst du nicht müde, sie zu tragen?“
    „Nein, ich bin es gewöhnt.“
    „Warum aber fertigt man bei euch gar so schwere Gewehre? Der Arm schmerzt ja beim Zielen.“
    „Man fertigt jetzt keine solche Büchse mehr. Dieses Gewehr ist sehr alt. Es gehört zu einer Gattung, welche man Bärentöter nannte, weil man sich ihrer bei der Bärenjagd bediente. Es gibt drüben in Amerika eine Bärenart, welche ein graues Fell hat. Dieser graue Bär ist so stark, daß er einen Ochsen fortschleppt. Keine der früheren Kugeln tötete ihn sicher, und nur aus schweren Gewehren, wie dieses hier ist, konnte man einen sicheren Schuß abgeben.“
    „Hast du auch solche Bären getötet?“
    „Ja. Wozu hätte ich sonst die Büchse?“
    „Aber wozu schleppst du sie mit dir hier herum, wo es keine Bären gibt?“
    „Weil ich während meiner Reise in Gegenden kam, wo es zwar keine Bären, aber anderes starkes Wild gab. Ich habe mit ihr den Löwen und den schwarzen Panther geschossen. Übrigens gewährt sie wegen ihrer Schwere ein sicheres Ziel aus freier Hand. Und daß sie auch sonst mir gute Dienste leistet, das hast du heute erfahren.“
    „Ist sie geladen?“
    „Ja. Sobald ich einen Schuß abgegeben habe, lade ich sofort wieder. Das ist so Jägerart.“
    „Dann will ich sie lieber aus der Hand tun. Und welch sonderbare Waffe ist das andere Gewehr?“
    Ich muß bemerken, daß wir an einem Tisch saßen, welcher an dem offenen Fensterladen stand. Ich saß mit dem Gesicht und Halef mit dem Rücken gegen die Fensteröffnung. Rechts von mir saß der Wirt, links Omar, und hinter mir stand Osco, welcher sich soeben seine Pfeife gestopft hatte und von seinem Platz aufgestanden war, um sie sich an der Lampe anzuzünden. Er war hinter mir stehengeblieben, um dem Wirt zuzuschauen, welcher den Bärentöter so auf den Tisch gelegt hatte, daß er mir zufälliger- und auch glücklicherweise ganz handgerecht lag, und nun nach dem Henrystutzen griff.
    Der Wirt fragte mich nach der Konstruktion desselben, und ich erklärte ihm, wie ich fünfundzwanzig Schüsse abfeuern könne, ohne zu laden. In dieser Erklärung wurde ich durch einen Ruf Oscos aufgeschreckt.
    „Effendi! Um Allahs willen! Hilfe“, schrie er laut.
    Ich sah mich nach ihm um. Er deutete auf das Fenster. Seine Augen waren weit geöffnet, und auf seinem Gesicht lag die Blässe des Todes. Er war ein Bild starren Schreckens.
    Als ich der Richtung seines Armes folgte, sah ich mich der Mündung eines Gewehres gegenüber. Der Lauf desselben war auf die untere Fensterkante gelegt. Der Schütze stand draußen auf der Straße und hatte das Gewehr hier aufgelegt, um ein ganz sicheres Ziel auf mich zu haben. Daß es auf mich abgesehen sei, erkannte ich sofort.
    Es gibt Situationen, in denen der Geist in einem halben Augenblick Gedanken und Folgerungen bildet, zu denen er sonst Minuten braucht. Das Handeln scheint dann nur ein instinktives zu sein; aber in Wahrheit hat der Geist wirklich seine ordentlichen Schlüsse gebildet, nur daß die Assoziation der Ideen eine blitzartige gewesen ist.
    Das Gewehr war so grad auf meine Stirne gerichtet, daß ich nicht den Lauf, sondern nur die Mündung wie einen Ring sehen konnte. Ein Moment des Schreckens hätte mich unbedingt dem Tod überliefert. Es mußte eben gedankenschnell gehandelt werden. Aber wie? Bog ich den Kopf rasch zur Seite und der Schuß ging los, so wurde zwar nicht ich, sondern der hinter mir stehende Osco getroffen. Um diesen zu retten, durfte ich dem Mörder sein Ziel, nämlich meinen Kopf, nicht entziehen; aber ich bewegte ihn so rasch hin und her, daß das Ziel ein ganz unsicheres wurde, und ergriff den Bärentöter.
    Natürlich kann das unmöglich so schnell erzählt oder gelesen werden, wie es geschah. Der im Anschlag liegende Mörder konnte nicht sehen, daß ich das Gewehr vom Tisch aufriß. Ohne es anzulegen – denn das hätte er bemerkt – streckte ich es aus, hielt die beiden Mündungen desselben an die

Weitere Kostenlose Bücher