16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
geben, abermals auf uns zu zielen.“
Er wankte, als er dieser Weisung folgte. Ganz gewiß war er kein Feigling; aber die Schnelligkeit, mit welcher das alles aufeinander gefolgt war, hatte ihn ganz wirr gemacht. Nachdem er den Laden geschlossen hatte, sank er wieder auf den Stuhl, und ich zündete mir die Pfeife neuerdings an.
„Du rauchst, Effendi?“ fragte er erstaunt. „Und die draußen kämpfen!“
„Kann ich ihnen helfen? Wärst du ein tüchtiger Kerl, so eiltest du ihnen nach!“
„Danke! Mich geht das nichts an.“
„So rauche auch!“
„Mir zittern noch alle Glieder. Deine alte Büchse knallte doch wie eine Kanone!“
„Ja, sie hat einen etwas kräftigen Baß, die gute Matrone. Wollen gleich wieder laden. Du hast gesehen, wie gut das ist. Wäre sie ungeladen gewesen, so ständ es nicht sehr einladend um mich.“
„Du hättest ja diesen Stutzen gehabt!“
„Den hattest du in der Hand, während die Büchse mir griffgerecht lag. Übrigens weiß ich nicht, ob eine Stutzenkugel dieselbe kräftige Wirkung gehabt hätte.“
„Du hast doch auf den Mörder geschossen!“
„Nein. Ich konnte nicht das geringste von ihm sehen. Ich sah nur die Mündung seines Gewehres. Er zielte grad nach meiner Stirn. Ich konnte nichts weiter tun, als schießen, um mit meiner Kugel den auf mich gerichteten Lauf empor zu schleudern, und das ist mir gelungen.“
Draußen unter den Frauen und Kindern im Hof war eine große Unruhe ausgebrochen. Sie hatten natürlich die Schüsse auch gehört und dann die Männer laufen sehen. Alle wußten, daß die Aladschy in der Nähe waren, und befanden sich darum in höchster Aufregung.
Jetzt trat aber eine Stille ein, und nun wurde die Tür zur vorderen Stube geöffnet. Osco, Omar und Halef kamen zurück. Der letztere sah übel aus. Seine Kleider waren beschmutzt und teilweise zerrissen, und von der Stirn lief ihm das Blut über das Gesicht.
„Du bist verwundet?“ fragte ich erschrocken. „Ist's gefährlich?“
„Ich weiß es nicht. Untersuche es, Sihdi.“
„Wasser her!“
Da nicht gleich Wasser zur Hand war, tauchte ich mein Taschentuch in den Bierkrug und wischte dem wackeren Kleinen das Gesicht ab.
„Gott sei Dank! Ein ganz leichter Streifschuß“, tröstete ich. „In zwei Wochen ist die Schramme heil.“
„Das läßt sich hören!“ lachte Halef. „Aber es war nicht so gemeint; es sollte mir ans Leben gehen.“
„Wer schoß nach dir? Manach el Barscha?“
„Nein, der andere.“
„Kanntest du ihn?“
„Nein. Es war so dunkel, daß ich sein Gesicht nicht erkennen konnte, obgleich unsere Bärte einander so nahe waren, daß wir uns hätten küssen können.“
„Ich vermute, daß es der Bruder des Fleischers war.“
„Sehr möglich, denn grad wie ein Fleischer griff er zu.“
„Erzähl doch! Omar mag inzwischen das Verbandszeug aus meiner Satteltasche holen.“
„Nun, die Sache ging sehr schnell vor sich. Als ich den Kopf durch das Fenster steckte, sah ich einen Mann unter demselben liegen. Ich wollte auf ihn springen, da aber nahmst du mich von hinten fest. Ich zappelte mich los; aber als ich die Beine hinausbrachte, sprang er auf und lief davon.“
„Manach el Barscha war es. Er sagte heute zu den drei anderen, als ich sie belauschte, daß er gern einmal nach mir schießen möchte. Das hat er getan. Es ist also sehr gefährlich, sich für kugelfest auszugeben.“
„O, es war im Ernst auf uns abgesehen. Du saßest so schußgerecht. Die Schurken sahen es und beschlossen, dich wegzublasen. Da nun Manach gern sehen wollte, ob dein Kopf wirklich härter sei als sein Geschoß, so erhielt er den Auftrag, dich zu erschießen. Der Mordversuch wäre auf alle Fälle unternommen worden; darauf kannst du dich verlassen.“
„Wahrscheinlich ist es allerdings.“
„Also weiter! Ich sprang rasch hinab und kam auf ein langes, schmales Ding, so daß ich niederstürzte. Es muß eine Flinte sein, die noch draußen liegt.“
„Sie wird ihm durch meinen Schuß aus der Hand geprellt worden sein. Er hat einen Stoß oder Schlag erhalten, der ihn niederwarf.“
„Jedenfalls sind ihm die Sinne für kurze Zeit vergangen, sonst wäre er nicht liegengeblieben, bis ich kam. Ich raffte mich augenblicklich auf und sprang ihm nach. Als er an dem Tor vorüberlief, erkannte ich ihn und rief es euch zu.“
„Auch ich habe ihn erkannt.“
„Er lief wie Feuer; ich aber blieb ihm auf den Fersen. Da stolperte er und stürzte. Ich war ihm so nahe, daß ich nicht schnell
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