16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
uns gestern so hohe Ehren erwiesen hast, wollen wir heute Gleiches mit Gleichem vergelten und uns an die Spitze eures Zuges stellen, um euch bis vor den Ort hinaus das Geleit zu geben. Ich hoffen, daß du uns diese Bitte nicht abschlägst.“
Und ohne weiteres setzte sich der Zug unter musikalischem Lärm in Bewegung. Draußen vor dem Ort hielt Halef eine Ansprache des Dankes an die Herren, und dann kehrten sie in ihr Heim zurück. Wir aber wendeten uns nach Warzy zu, woher wir gestern gekommen waren. Dort wich unser heutiger Weg von dem gestrigen ab, da wir von da aus nach Jerßely mußten.
Als wir jenseits der Brücke der Sletowska waren, sagte ich zu Halef:
„Reitet im Schritt weiter, ich habe etwas vergessen. Ich muß noch einmal zurück, aber ich komme bald nach.“
Sie ritten fort. Mir aber fiel es gar nicht ein, noch einmal in das Dorf zurückzureiten; ich hatte eine ganz andere Absicht, von welcher ich aber dem Schneider nichts wissen lassen wollte. Er war mir noch zu fremd, als daß ich ihn hätte ins Vertrauen ziehen mögen.
Der Bruder des Fleischers sann auf Rache; das war gewiß. Er hatte sein Pferd bereitstehen, um uns zu folgen. Beabsichtigte er das wirklich, so brach er bald nach uns auf. Ich brauchte also nur kurze Zeit zu warten, um zu sehen, ob wir ihn zu fürchten hätten. Über diese Brücke mußte er jedenfalls kommen.
Ich trieb mein Pferd zwischen die Büsche, welche am Ufer standen und mich vollständig verdeckten, wenn ich mich ein wenig bückte. Da wartete ich.
Ich hatte mich nicht verrechnet. Kaum fünf Minuten später kam er im Trab herbei und über die Brücke. Er ritt den Braunen mit der Blässe, hatte eine Flinte im Sattel hängen und einen Heiduckenczakan an der Seite. Sein Gesicht war durch ein Pflaster entstellt, welches unter dem Fez hervor über Stirn, Nase und Wange lief.
Er hielt nicht die Richtung nach Warzy ein, sondern folgte dem Fluß bis zu dessen Vereinigung mit der Bregalnitza, dann noch ein Stück weiter und nahm hierauf die Richtung nach den steilen Abhängen zu, welche das Plateau von Jerßely tragen.
Ich war ihm vorsichtig gefolgt, mit meinem guten Fernrohr in der Hand. Der Rappe trug mich so weich und eben fort, daß ich den kleinen Punkt, welchen der Reiter bildete, stets fest im Glase hatte.
Es ging über die Straße, welche von Karanorman nach Warzy führt, und dann folgte ich ihm über eine ebene Wiesenfläche, welche inselartig mit Büschen bestanden war.
Hier konnte ich ihn nicht im Auge behalten, da die Strauch-Eilande sich zwischen uns schoben. Ich mußte seiner Fährte folgen, und die war deutlich genug.
Linker Hand stiegen die Abhänge steil ab. Die Spur führte auf dieselben zu. Das Gras hörte auf, und es kam ein klarer Geröllboden zu Tage. Buschwerk aber gab es immerfort. Hier war die Fährte schwer zu erkennen, dennoch verlor ich sie nicht. Ich befand mich hart an dem steinigen Abhang, längs welchem ich hingeritten war.
Da – ich riß den Rappen schnell zurück – hörte ich kurz und grad vor mir das Schnauben eines Pferdes. Eben hatte ich um einen Busch biegen wollen. Ich lugte vorsichtig um den Rand desselben und gewahrte den Braunen, der an den nächsten Strauch gebunden war. Der Sattel war leer.
Als ich mein Pferd einen Schritt weiter treten ließ, sah ich den Miriditen, welcher suchend und den Boden genau betrachtend langsam weiter ging und dann hinter dem ersten Strauchwerk verschwand.
Wen oder was suchte er? Das hätte ich so gern gewußt; aber ich konnte ihn nicht belauschen, denn ich durfte ihm nicht zu Pferde folgen, weil er mich unbedingt bemerkt hätte, und zu Fuß ging es ja auch nicht, da ich nicht laufen konnte.
Aber eins war mir möglich, wenn mir die Zeit dazu blieb: – sein Gewehr für mich schadlos zu machen. Es hing am Sattelknopf. Zwar hatte ich keine Zeit, die Kugel heraus zu ziehen; aber es gab eine andere Art und Weise, es zum Versagen zu bringen. Und überraschte er mich ja dabei, nun, so war ich ihm mehr als gewachsen, falls er nicht etwa hier Gefährten hatte, die er treffen wollte.
Ich schwang mich also aus dem Sattel und nahm den Stutzen in die Hand, teils um ihn als Stütze beim Gehen zu benutzen, teils auch um an ihm eine zuverlässige Waffe zu haben. Die wenigen Schritte zum Braunen konnte ich wagen. Als ich bei ihm stand, nahm ich die Flinte vom Sattel, schnappte den Hahn auf und nahm das Zündhütchen ab. Nun zog ich aus der Jacke eine Stecknadel – ich hatte stets einige darin stecken – und
Weitere Kostenlose Bücher