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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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kann, mehr Schaden als Nutzen bringen. Der Richter kann ein solches Gesetz der verschiedenartigsten Deutung unterwerfen.“
    „Leider ist das nur allzu wahr.“
    „Wie soll es nun erst da sein, wo ihm kein Nachdruck gegeben werden kann, wo niemand sich um das Gesetz zu kümmern braucht, wie hier bei uns? Nimm einmal die Albanesen an, die Arnauti, Skipetaren, Miriditen und all die Völkerschaften und einzelnen Stämme, von denen jede dieser Sippen ihre eigenen Gesetze, Gebräuche und Rechte hat. Das ist das richtige Feld für einen Mann, wie der Schut. Er lacht des Großherrn und seiner Beamten. Er verhöhnt die Richter, die Behörden, die Polizei und die Soldaten. Keiner von ihnen allen kann ihm das Geringste anhaben. Hier lebt jedes Dorf in Gegnerschaft mit dem Nachbardorf. Jeder Ort hat mit dem andern irgend einen Diebstahl, Raub oder gar eine Blutrache auszugleichen. Das ist ein ewiger Krieg, und da behält natürlich der gewalttätigste und größte Übeltäter die Oberhand. Aber, Effendi, ich habe nichts, gar nichts gesagt. Ich bin ein armer Mann und will nicht noch unglücklicher werden, als ich schon bin.“
    „Meinst du, daß ich deine Worte verrate?“
    „Nein, dazu bist du zu edel. Aber die Bäume haben Ohren, und die Luft hört alles.“
    „Anderswo könnte so etwas freilich gar nicht vorkommen.“
    „Gibt es an anderen Orten, in anderen Ländern nicht auch Räuber?“
    „Ja, zuweilen, aber nur für kurze Zeit, fast nur für Tage, denn das Gesetz hat dort die nötige Macht, um sie schnell unschädlich zu machen.“
    „O, List geht oft noch über die Macht!“
    „So wird die List mit List bekämpft. Bei uns ist kein Verbrecher so schlau, daß nicht irgend ein Polizist noch viel schlauer wäre. Käme ein solcher hierher, so würde er sehr bald den Schut aufgestöbert haben.“
    „Pah! Der Schut würde den Mann wohl noch eher kennen, als dieser ihn. Wie dann?“
    Es war, als ob der Schneider in seinen Ton eine gewisse Beziehung legen wollte. Es klang fast wie Hohn, oder hatte ich mich geirrt?
    „Nun, dann würde der Geheimpolizist vielleicht verloren sein“, erwiderte ich; „aber andere träten an seine Stelle.“
    „Sie würden ebenso verschwinden wie er. Wie die Dinge hier liegen, ist dem Schut gar nicht beizukommen. Es ist am besten, man spricht gar nicht von ihm, und auch wir wollen dieses Gespräch fallen lassen. So arm ich bin, muß ich doch Angst haben, wenn ich an ihn denke. Ich verdiene mir mein Geld nur paraweise und bringe nicht viel zusammen. Aber ich habe mir doch einige wenige Piaster sparen müssen für den Wundermann, der mich heilen soll. Wenn mich diese Räuber überfielen und mir die Frucht meiner Arbeit abnähmen, so könnte ich nicht einmal Medizin erhalten, um gesund zu werden.“
    „Ist dieser Wundermann berühmt?“
    „Weit und breit.“
    „So ist auch wohl dein Dörfchen weithin bekannt?“
    „Gewiß; frage nur einmal danach.“
    „Nun, ich habe allerdings bereits von Weicza sprechen hören. Es wurde dabei auch der Name eines berühmten Khan genannt, der sich dort in der Nähe befinden soll.“
    „Wie heißt er?“
    „Ich kann mich nicht genau besinnen. Ich glaube, es war das Wörtchen Kara dabei.“
    Er sah mich scharf an. Es zuckte aus seinen Augen ein rascher, unbewachter Blick, ein versengender Blitz. Doch sofort nahm sein Blick die frühere Sanftmut an, und der Schneider meinte:
    „Kara, kara, hm! Ich kann mich nicht besinnen. Wenn du das ganze Wort wüßtest, so käme ich vielleicht darauf.“
    „Vielleicht fällt es mir noch ein. Kara – kara – Halef, du hast den Namen auch gehört; fällt er dir nicht ein?“
    „Karanorman?“ antwortete der Hadschi, der mich gar wohl verstand.
    „Ja, ja, so war es. Karanorman-Khan! Kennst du ihn, Afrit?“
    Es schien, als ob er sich besinnen müsse, bevor er antwortete:
    „Ja, jetzt weiß ich, was du meinst. Es ist aber nicht etwa ein großer Khan, sondern nur eine Art Ruine. Es wohnt dort kein Mensch. Erst war es ein großes Karawanserei, vor Jahrhunderten. Dann wurde ein Karaul daraus, ein Wachturm für die Grenzsoldaten, und nun liegt es in Trümmern. Was hat man denn von dem Ort gesagt?“
    „Daß der Schut dortselbst sein Wesen treiben soll.“
    Über sein sanftes Gesicht ging ein Zucken, als ob er eine plötzliche, gewaltige Bewegung niederkämpfen müsse. Dann sah er mir ebenso ruhig und mild wie vorher in das Gesicht und erwiderte:
    „Ich glaube, daß man dir da etwas weisgemacht hat.“
    „Meinst

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