16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
zu ärgern, daß die Beutel versiegelt und mit seinem Petschaft gestempelt werden mußten. Ich weigerte mich natürlich keinen Augenblick.
Dann ließ ich mir die Gefangenen zeigen. Sie befanden sich in einem kellerartigen Raum und waren gebunden.
Ich sagte ihm, daß dies eine unnütze Quälerei sei; er aber meinte, daß man mit solchen Burschen gar nicht streng genug verfahren könne, und er werde während der Nacht sogar einen seiner Knechte als Wächter vor die Tür stellen.
Ich fühlte mich also über die Sicherheit der Gefangenen ganz beruhigt und dachte wirklich nicht, daß er sie jetzt nur deshalb gebunden habe, weil zu erwarten war, daß ich kommen werde, um nach ihnen zu sehen.
Von hier aus begab ich mich in den Konak, wo jetzt das verspätete Abendmahl eingenommen wurde. Wir saßen in demselben Zimmer wie am Mittag beisammen. Es ging recht lebhaft her, denn die Ereignisse des Tages gaben genug Stoff zu einem lebhaften Gedankenaustausch, und so war Mitternacht längst vorüber, als wir uns zur Ruhe legten.
Ich bekam die Ehrenstube angewiesen, in welche ich auf einer Stiege gelangte. Da zwei Betten dastanden, nahm ich den kleinen Hadschi zu mir. Ich wußte, wie wohl ihm ein solcher Freundschaftserweis tat.
Meine Uhr zeigte wenig über zwei, als wir uns anschickten, uns der Kleider zu entledigen. Da pochte es unten an das jetzt verriegelte Tor. Ich öffnete den Laden und blickte hinaus. Es stand jemand am Tor; ich konnte aber nicht erkennen, wer es war.
„Kim dir – wer ist da?“ fragte ich.
„Oh, das ist deine Stimme“, antwortete ein weiblicher Mund. „Nicht wahr, du bist der fremde Effendi?“
„Ja. Und du bist die Pflanzensucherin?“
„Ja, Herr. Komm herab! Ich habe dir etwas zu sagen.“
„Ist's notwendig?“
„Gewiß.“
„Werde ich wieder schlafen gehen können?“
„Sogleich wohl nicht.“
„Warte! Ich komme.“
Eine Minute später stand ich mit Halef unten bei ihr.
„Effendi“, sagte sie, „weißt du, was geschehen ist – oder halt, so viel Zeit hast du wohl noch: siehe da meinen König der Hadsch Marrjam!“
Sie gab ihn mir in die Hand, eine stachelige Distel von zweimal Handbreite, aber wirklich so dünn, wie eine Messerklinge. Die helle Zickzackschlange oben auf der langen, schmalen Krone war trotz der Dunkelheit sehr deutlich zu erkennen. Sie ‚leuchtete‘ zwar nicht, aber sie hatte einen ziemlich bedeutenden Glanz, fast wie phosphoreszierend.
„Glaubst du mir nun?“ fragte sie.
„Ich habe an deinen Worten gar nicht gezweifelt. Hier ist's zu dunkel; ich werde dich früh besuchen, um mir die Distel bei Tageslicht genau zu betrachten. Aber nun sage, was du mir mitzuteilen hast.“
„Etwas sehr Schlimmes: die Gefangenen sind entflohen.“
„Was? Wirklich?“
„Ja, sie sind entflohen.“
„Woher weißt du es?“
„Ich habe es gesehen; ich habe sogar gehört, was sie sprachen.“
„Wo denn?“
„Droben auf dem Berg, an der Hütte des Mübarek.“
„Sihdi!“ sagte Halef. „Da müssen wir fort, augenblicklich fort, hinauf auf den Berg. Wir schießen sie nieder, sonst geht es uns an das Leben.“
„Warte! Wir müssen erst alles wissen. Sage uns, Nebatja, wie viele ihrer waren.“
„Die drei Fremden, der Mübarek und der Kodscha Bascha.“
„Was? Der Kodscha Bascha war dabei?“
„Ja; er selbst hat sie herausgelassen und von dem Mübarek fünftausend Piaster dafür erhalten.“
„Weißt du das gewiß?“
„Ich habe es deutlich gehört.“
„So erzähle, aber alles doch nur kurz! Wir haben keine Zeit zu verlieren.“
„Ich hatte den Distelkönig geholt und wollte zurückkehren über die Lichtung. Da sah ich vier Männer kommen, in der Richtung aus der Stadt. Ich wollte mich nicht sehen lassen und huschte in die Ecke, welche die Hütte mit der Mauer bildet, an die sie stößt. Die vier Männer wollten in die Hütte treten, welche aber verschlossen war. Drei von ihnen kannte ich nicht; der vierte aber war der Mübarek. Sie sprachen davon, daß der Richter sie nun freigelassen habe und gleich kommen werde, um sich fünftausend Piaster dafür zu holen. Wenn sie ihn bezahlt hätten, wollten sie fort; aber rächen müßten sie sich an euch. Der eine sagte, du würdest jedenfalls nach Radowich und Istib reiten. Unterwegs sollten euch da die Aladschy anfallen.“
„Wer sind die Aladschy?“
„Ich weiß es nicht. Dann kam der Kodscha Bascha. Weil niemand den Schlüssel hatte, traten sie die Tür mit den Füßen ein. Es wurde Licht
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