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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sah, daß er sich nicht rührte, und beeilte mich keineswegs, abzusteigen. Er konnte ja gar nicht fort.
    Als ich nun die wenigen Schritte zu ihm hinritt, sah ich, daß er die Augen geschlossen hatte. Er war ohnmächtig. Ich blieb aber im Sattel und liebkoste mein Pferd zum Dank für seine Anstrengung. Der Rappe war für solche Zärtlichkeiten sehr empfänglich. Er bog den Hals zurück und leckte mit der Zunge nach mir, ohne mich jedoch zu erreichen. Als das nicht ging, versuchte er mich wenigstens mit dem Schwanze treffen zu können. Um ihm diese Freude zu machen, bog ich mich nach hinten und streckte die Hand aus, in welche er mir den prächtigen Schweif wohl zehnmal warf und dabei vor Vergnügen laut aufwieherte.
    Nach einiger Zeit kamen auch die Gefährten herbei. Dabei wunderte ich mich, mit welcher Leichtigkeit der alte, dürre Klepper des Schneiders galoppierte. Es schien, als ob es der alten Mähre nur Vergnügen mache, sich einmal tüchtig auszulaufen.
    Und der kleine, hagere Kerl saß im Sattel wie nur einer! Ich glaube, der Klepper war ein ebenso großer Heuchler, wie sein Herr.
    „Ist er tot?“ fragte Halef, als sie herangekommen waren.
    „Weiß nicht. Sieh einmal nach!“
    Er sprang ab und untersuchte den Gefangenen.
    „Herr, der Bursche schläft nur ein wenig. Hier hast du seinen Czakan.“
    Halef reichte mir die herrliche Waffe, die er vorher aufgehoben hatte. Der gewundene Stiel war mit geperlter Fischhaut überzogen; das Beil selbst war von feiner, alter und herrlich ziselierter Arbeit. Auf der einen Seite stand in arabischer Schrift: ‚Li ma' ak kelimet – ich habe ein Wort mit dir zu sprechen‘ und auf der andern: ‚Awafi, chatrak – wohl bekomms, lebe wohl!‘ Der Künstler, von welchem diese Arbeit stammte, hatte einen etwas stacheligen Charakter gehabt.
    „Nun, Halef“, fragte ich, „was sagst du zu unserem Rih?“
    Der Hadschi holte tief Atem und antwortete mit glänzenden Augen und in begeistertem Ton:
    „Was soll ich sagen, Sihdi! Du hast ihm das Geheimnis gesagt?“
    „Ja.“
    „Ich dachte es mir. Er flog erst wie ein Pfeil und dann wie ein Gedanke. Er sah von weitem aus, als ob er nur aus dem Leib bestehe, denn die Beine waren verschwunden. Noch bevor ich gedacht hatte: da ist er, war er vorn bei den Büschen. Und schau ihn an, wie er dasteht! Siehst du einen Tropfen Schweiß an seinem ganzen Körper?“
    „Nein.“
    „Oder einen Flocken Gischt vor seinem Maul?“
    „Auch nicht.“
    „Oder siehst du ihn heftig Atem holen? Siehst du seine Lungen gehen oder gar seine Flanken schlagen?“
    „Keine Spur davon.“
    „Ja, er steht so ruhig und vergnügt da, als ob er sich soeben erst vom Schlaf erhoben hätte. Es war ein herrlicher, ein prachtvoller Anblick! Selbst der Prophet hat kein solches Pferd gehabt. Schade, daß es ein Hengst und keine Stute ist! Das ist sein einziger, aber auch sein allereinziger Fehler. Ich werde ihm heute abend zur Belohnung einen großen Maiskuchen geben, mit Raki begossen, denn das ist sein Lieblingsessen; er ist ein Leckermaul.“
    Und sich an den Schneider wendend, fragte er:
    „Nun, Afrit, du Riesengeschöpf, hast du auch Respekt vor diesem Pferd?“
    „Es ist unvergleichlich. Ich habe noch nie ein solches gesehen“, antwortete der Gefragte.
    Er betrachtete den Hengst mit den Augen eines Kenners. Konnte ein armer Schneider solche Blicke, die Blicke eines Sachverständigen haben? Nein! Es lag eine nicht ganz zu verbergende Gier in diesen Blicken. Er trug Verlangen, den Hengst zu besitzen. Das sah man ihm an, so sehr er sich auch bestrebte, dies zu verheimlichen.
    „Schön!“ erwiderte Halef, von diesem Lob befriedigt. „Aber was sagst du zu seinem Herrn?“
    „Er ist wert, ein solches Pferd zu besitzen. Er reitet gut.“
    „Gut? Mensch, was fällt dir ein! Auch du reitest gut, aber du bist im Vergleich zu ihm ein Frosch, der auf dem Rücken eines Ochsen sitzt. Und wer hat dich gefragt, wie er reitet? Ich habe es ganz anders gemeint. Hat er nicht glänzend Wort gehalten?“
    „Ja, das gebe ich freilich zu.“
    „Freilich? Du mußt es zugeben, du bist gezwungen dazu. Hat er es nicht bewiesen, daß der Miridit ein Knabe gegen ihn ist, ein Junge, welcher sich noch nicht einmal die Jacke zuknöpfen kann? Wie herrlich hat er ihn überlistet! Hast du geahnt, daß er ihn abermals beschleichen würde?“
    „Nein.“
    „Ich habe es gleich gewußt. Dein Gehirn ist wie ein Kuchen, welchen die Hitze schwarz und trocken gebrannt hat, so daß er

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