16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
nun nicht zu genießen ist. Wie staunte der Miridit, als er ihn nicht bei uns sah, und wie erschrak er, als er ihn dann hinter sich erblickte! Wie sicher zielte er dann auf ihn! Und weißt du, warum sein Gewehr nicht losgegangen ist?“
„Weil es versagte.“
„Nein, sondern weil wir kugelfest sind. Verstanden, du Schneider aller armen Schneider! Und dann der Wurf des Czakan! Hättest du es vermocht, das Beil zu parieren?“
„Bei meiner armen Seele, nein!“
„Bei deiner armen Seele wirst du überhaupt niemals etwas vermögen, denn deine Seele ist doch nur ein langes, unbehilfliches Ding wie ein Regenwurm, welches sich vergeblich in dir windet, um einen klugen Gedanken zu fassen. Und nachher die Jagd! Hast du schon einmal gesehen, wie man mit einem Riemen einen Reiter von dem Pferd reißt?“
„Niemals.“
„Das glaube ich. Du hast überhaupt noch gar vieles, noch tausenderlei nicht gesehen, was wir verstehen und können. Was kann dein Schut gegen unseren Effendi ausrichten? Unsere List und Tapferkeit wird sein wie eine Schraube, die sich in seinen Leib hineinfrißt!“
„Meinen Schut? Sage das doch nicht!“
„Du verteidigst ihn ja!“
„Das ist mir nicht eingefallen!“
„Hast du nicht gesagt, daß er uns überlegen sei, daß er uns verderben werde?“
„Ich sagte das, um euch liebreich zu warnen.“
„So sage ich dir ebenso liebreich, daß du in Zukunft das Maul zu halten hast. Wir bedürfen keiner Warnung. Wir wissen selbst, was wir zu tun und zu lassen haben, denn wir kennen uns und auch unsere Feinde. Sie sind gegen uns wie dürre Grashalme gegen die Palmen, welche ihre Häupter in den Wolken baden. Dieser Schut wird uns zu Füßen liegen wie der Miridit, der hier am Boden liegt. Und alle, die ihm dienen, werden wir verzehren, wie man Tabak aus der Dose in die Nase steckt.“
„Hadschi, was habe ich denn getan, daß du so streng und zornig zu mir redest?“
„Den Schut hast du über uns gesetzt! Ist das nicht genug? Du hast noch keinen berühmten Helden gesehen. Hier aber erblickst du Männer und Helden, welche den Schut wie eine Fliege achten. Man fängt und zerdrückt sie mit der Hand!“
Um den kleinen Hadschi, der nun im Zuge war, nicht noch größer werden zu lassen, unterbrach ich ihn:
„Ich hörte, als ich hinter dem Miriditen hielt, einen Pfiff. Wer hat ihn ausgestoßen?“
„Hier der Schneider.“
„Warum?“
„Er sagte, es sei ein Hund durch die Büsche gelaufen.“
„Ja, Herr, ich sah ihn deutlich“, erklärte der Verräter angelegentlich.
„Was ging dich das Tier an?“
„Es hatte sich doch wohl verlaufen, und wir konnten es bis nach dem nächsten Dorf mitnehmen, wohin es wahrscheinlich gehört.“
„So! Der Miridit schien diesen Pfiff zu kennen.“
„Gewiß nicht.“
„Er sprang sofort vom Boden auf und stieg zu Pferd.“
„Das war Zufall!“
„Natürlich! Aber es scheint, daß er mit dem ‚Suef‘ verabredet hatte, daß derselbe seine Annäherung durch einen Pfiff verkünden sollte. Das ist eine große Albernheit von den beiden, denn dadurch würden sie ja verraten haben, daß sie im Einverständnis handeln. Hoffentlich kommt mir der Bursche in die Hände, und da werde ich ihn auf diese Dummheit aufmerksam machen.“
„Willst du nicht einmal nach dem Miriditen sehen? Er bewegt sich.“
Der genannte hatte, um in eine andere Lage zu kommen, eine Bewegung mit den Beinen gemacht. Ich sah, daß er die Augen geöffnet hatte und mich grimmig anstarrte.
„Nun“, fragte ich ihn, „wie gefällt dir der Ausgang deines Abenteuers?“
„Sei verflucht!“ antwortete er.
„Dein Mund trieft nicht von Segensworten, und doch habe ich es gut mit dir gemeint.“
„Wie gut du es meinst, das weiß ich!“
„Was weißt du denn?“
„Daß du mich töten wirst.“
„Du irrst. Hätte ich dich töten wollen, so wäre es mir heute schon öfter sehr leicht gewesen, es zu tun.“
„So hast du noch Schlimmeres mit mir vor.“
„Was denkst du da?“
„O, es gibt verschiedene Arten, einen Blutfeind unschädlich zu machen, ohne ihn gleich zu töten!“
„Man läßt ihn zum Beispiel verschmachten, wie ihr es mit uns im Sinne hattet.“
„Der Scheïtan hat euch herausgeholfen!“
„Nein, wenn dieser uns hätte unterstützen wollen, so wären wir lieber in der Höhle geblieben.“
„Und doch habt ihr den Teufel, denn ihr seid alle kugelfest!“
„Meinst du, daß man dazu der Hilfe des Scheïtan bedarf? Das kann man selbst tun ohne jede fremde
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