16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Hilfe. Man muß nur klug genug sein und etwas gelernt haben. Wir fürchten allerdings deine Kugeln und auch dein gehacktes Blei nicht, welches du heute so sorgfältig in den Lauf geladen hattest.“
„Ah, du hast meine Flinte?“
„Nein; sie hing am Sattel, und dein Pferd ist mit ihr fort.“
„Wie kannst du denn wissen, daß ich gehacktes Blei geladen habe?“
„Ich weiß stets alles, was ich wissen muß. Nun kannst du nicht heimreiten nach Sbiganzy, sondern du mußt zu deinen Verbündeten gehen, wie du es mit ihnen ausgemacht hast.“
„Ich? – Wohin?“
„Das weißt du genau. Sind sie nicht über Engely dir voran?“
„Herr, wer hat dir das gesagt?“
„Mein Traum. Ich sah sie im Traum auf der Höhe jenseits Warzy deiner warten. Da kamst, stiegst vom Pferd und suchtest sie auf, um ihnen zu sagen, daß wir nun endlich so spät aufgebrochen seien. Dann seid ihr zusammen fortgeritten. Du aber hast dich sehr bald von ihnen getrennt, um hierher zu reiten, wohin Suef uns dir in die Hände liefern sollte.“
„Suef!“ rief er erschrocken aus.
Sein Blick suchte den Schneider und fand ihn. Ich tat, als ob ich den warnenden Wink nicht sähe, den ihm der Kleine gab. Dieser Wink schien den Miriditen zu beruhigen, denn er fragte:
„Wer ist Suef?“
„Dein Freund.“
„Ich kenne keinen Suef.“
„Nun, vielleicht erkennst du ihn, wenn ich ihn, wie ich hoffe, vor deinen Augen auspeitschen lasse. Du hast mit deinen Gefährten verabredet, daß ich tot wäre, wenn du nicht kämst; daß du aber heute abend zu ihnen stoßen würdest, wenn dein Überfall mißglücken sollte. Er ist mißglückt. Willst du fort?“
Er wußte nicht, was er von mir zu halten habe; doch sagte er in düsterem Ton:
„Woher du das alles weißt, das ahne ich nicht; aber ich brauche es auch nicht zu wissen. Mache es kurz und töte mich!“
„Warum sollte ich dich töten?“
„Weil ich dir nach dem Leben trachtete.“
„Das ist für mich kein Grund, denn ich bin ein Christ und vergelte nicht Böses mit Bösem.“
„So kennst du das Gesetz der Blutrache nicht?“
„Ich kenne es.“
„So weißt du, daß ich Zeit meines Lebens trachten muß, dich zu toten?“
„Ich weiß es.“
„Und dennoch mordest du mich jetzt nicht?“
„Nein. Ich habe mich gegen dich gewehrt, und du hast gar nichts tun können. Das ist genug. Wir Christen kennen die Blutrache nicht; darum ist bei uns der Mord ein todeswürdiges Verbrechen. Dich aber zwingt das Gesetz der Blutrache zum Mord; darum kann ich dir nicht zürnen, daß du dem Gesetz gehorchen willst.“
Er blickte mich an wie im Traum. Er konnte meine Worte nicht begreifen.
„Aber“, fuhr ich fort, „überlege dir, ob ich die Blutrache verdient habe. Ich war eingeschlossen – ich mußte mich befreien. Ich mußte schießen und wußte nicht, daß dein Bruder es war, der oben saß. Er selbst trug die Schuld, daß meine Kugel ihn traf. Er wußte, daß wir unsere Waffen bei uns hatten. Es war eine große Torheit von ihm, sich dort hinauf zu setzen.“
„Herr, deine Worte enthalten viele Tropfen der Wahrheit!“
„Und warum wollte er mich bis zum Verschmachten einsperren? Was hatte ich getan? Hatte ich ihn beleidigt, gekränkt, bestohlen oder beraubt? Nein! Ich kam, um mich nach dem Schut zu erkundigen. Es stand ihm frei, mir Auskunft zu geben oder nicht, und dann wäre ich in Frieden weitergezogen. Warum wurde er mein Feind?“
„Weil seine Freunde deine Feinde sind, und weil du den Schut verderben willst.“
„Auch das will ich nicht.“
„Du suchst ihn und hast seinen Schwager Deselim getötet. Du bist der Blutrache verfallen und wirst ihr erliegen.“
„Ich habe Deselim nicht getötet. Er stahl mir mein Pferd, stürzte von demselben und brach sich den Hals. Bin ich der Mörder?“
„Hättest du ihn fliehen lassen! Du aber hast ihn gejagt und verfolgt.“
„Ah, so verfalle ich also der Blutrache, weil ich mir mein Pferd nicht stehlen lassen wollte? Höre, ich habe Achtung für euch empfunden, denn ich glaubte, ihr wäret tapfere, offenherzige Männer. Nun aber sehe ich, daß ihr feige, hinterlistige Schufte seid. Ihr seid Diebe, elende Diebe, und wenn man euch dann euern Raub abjagt, so sagt ihr, wir seien der Blutrache verfallen. Das ist, um euch anzuspucken. Pfui Scheïtanim! Jetzt ist mir euer Schut nur ein elender Bube, und alle, die ihm dienen, sind jämmerliche Halunken, auf die ich gar nicht achten werde. Da, mach' dich auf und lauf davon! Ich fürchte dich
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