16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
sich überhaupt jetzt alle bei uns im Turm. Draußen war es düster geworden, und ein fernes Grollen verkündete uns das Nahen eines Gewitters.
„Hole uns eine Lampe“, sagte ich zu Janik, „und benutze diese Gelegenheit, deinem Herrn mitzuteilen, daß wir sämtliche Läden des Turmes verschließen und verriegeln werden.“
„Warum?“
„Er wird dich wohl danach fragen. Sage ihm, ich hätte gemeint, wir wollten den Geist der alten Mutter nicht hereinlassen.“
Als er sich entfernt hatte, stiegen die Gefährten in die oberen Stockwerke empor, um die Läden auch wirklich fest zu schließen. Dann kehrte Janik mit einer alten Tonlampe zurück, in welcher sich so wenig Öl befand, daß sie nach kaum einer Stunde verlöschen mußte.
„Warum hast du so wenig Öl gebracht?“ fragte ich ihn.
„Der Herr gab mir nicht mehr. Er sagte, ihr würdet euch wohl bald schlafen legen. Anka aber ist ein kluges Mädchen und hat mir heimlich das mitgegeben.“
Er zog ein Fläschchen, in welchem sich Öl befand, aus der Tasche und gab es mir.
„Das ist jedenfalls nicht bloß Geiz“, sagte ich. „Er will haben, daß wir uns im Finstern befinden sollen; da ist man hilflos.“
Ein ängstliches Piepen und Zirpen ließ mich nach den Sperlingen schauen. Sie saßen mit gesträubtem Gefieder in ihren Nestern und benahmen sich ganz so, als ob sie Schmerzen hätten. Einer flatterte aus seinem Loch heraus und fiel auf den Boden nieder, wo er noch einige Male mit den Flügeln schlug und dann sich nicht mehr bewegte. Er war tot.
„So schnell!“ meinte Halef. „Der Kerl muß eine tüchtige Portion Gift in die Eierspeise getan haben!“
„Es gehört auch eine gehörige Menge dazu, vier kräftige Männer zu töten. Bei uns wäre es freilich nicht so schnell gegangen, wie da bei dem Sperling. Dieser Mensch ist nicht nur bodenlos schlecht, sondern auch im höchsten Grad dumm. Er muß gedacht haben, daß wir so schnell stürzen würden, wie die Sperlinge, und gar keine Zeit zur Rache hätten.“
Es lagen jetzt schon mehrere Vögel tot am Boden. Die armen Tierchen dauerten mich, aber ich hatte sie opfern müssen, um Gewißheit zu erlangen.
„Was wirst du denn nun mit dem Kuchen tun, Sihdi?“ fragte mich Halef. „Wollen wir zu Habulam gehen und ihn mit der Peitsche zwingen, seine eigene Eierspeise zu verzehren?“
„Den ersten Teil deines Vorschlages wollen wir ausführen, den letzteren aber nicht. Wir suchen ihn augenblicklich auf und nehmen den Eierkuchen mit, welchen wir mit den toten Vögeln garnieren.“
„Herr, tu' das nicht“, bat Janik, „sonst ergeht es mir schlimm, weil er glauben wird, daß ich euch gewarnt habe.“
„Dem werden wir dadurch vorbeugen, daß wir tun, als ob wir dir ein Stück gegeben hätten, welches du gegessen habest; du mußt dann heftiges Leibschneiden simulieren. Wirst du dich so verstellen können?“
„Ich denke, ja.“
„Das Übrige ist meine Sache. Kannst du uns sagen, wo wir Habulam finden werden?“
„In seiner Stube hinter dem Selamlük (Empfangszimmer), in welchem ihr mit ihm gesessen habt. Ihr werdet die Tür gleich sehen. Ist er nicht dort, so trefft ihr ihn in der Küche, denn Anka sagte mir, daß er dabei sein will, wenn euch das Achscham taami (Abendessen) bereitet wird.“
„Und wo ist die Küche?“
„Links neben der Hoftür. Du bist an ihr vorübergefahren worden. Seid aber klug und laßt euch nicht zu früh bemerken, sonst versteckt er sich.“
Er ging, und auch wir brachen auf, ich natürlich im Fahrstuhl. Halef ließ es sich nicht nehmen, den Eierkuchen zu tragen, und hielt ihn mit dem Zipfel seines Kaftan zugedeckt. Aber wir nahmen nicht den Weg quer über den Hof, sondern wendeten uns, um nicht gleich gesehen zu werden, an dem Stall hin und dann am Hauptgebäude entlang.
Zunächst suchten wir den Hausherrn in seiner Stube. Da das Empfangszimmer mit Matten belegt war, verursachten wir kein Geräusch. Osco öffnete die von dort weiter führende Tür und blickte hinein.
„Was willst du?“ hörte ich die erschrockene Stimme Habulams fragen.
In demselben Augenblick wurde ich von Omar auf dem Rollstuhl in die Stube geschoben. Als Habulam mich erblickte, spreizte er alle zehn Finger aus, hielt sie mir entgegen und schrie im höchsten Schreck:
„Hasa, si amahn Allah – Gott bewahre mich, Gott beschütze mich! Gehe hinaus, hinaus! Du hast den bösen Blick!“
„Nur für meine Feinde, nicht aber für dich“, antwortete ich.
„Nein, nein! Ich darf mich nicht
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