16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
sowie das Heulen des Gewittersturmes und das fast ununterbrochene Rollen des Donners von großem Vorteil. Den Kopf natürlich voran, schob ich mich weiter und weiter zwischen die Bündel hinein. Die Halme des Roggens, aus welchem sie bestanden, hatten Manneslänge und waren nicht in wirre Bündel, sondern zu sogenannten ‚Schütten‘ vereinigt, bei denen die Stengel ihre vollständige Länge behalten und das Gebund beträchtlich länger wird als die Halme eigentlich sind. Daher kam es, daß die Dicke der Feimenwand mehr als meine Körperlänge betrug und ich ganz, auch mit den Füßen, in ihr verschwinden konnte, ohne daß man im Innern meinen Kopf zu bemerken vermochte.
Die Bündel lagen mit den vollen Ähren nach innen. Ich schob mich langsam und leise so weit vor, daß die Ähren mein Gesicht vollständig verschleierten, ich aber zwischen ihnen hindurch den hohlen Innenraum völlig überblicken konnte. Das Gewitter kam mir dabei sehr zustatten. Meine Bewegungen verursachten ein unvermeidliches Rascheln des Strohes und ein Ausfallen der Körner, welches mich in anderem Falle hätte unbedingt verraten müssen. Wie wäre es mir dann möglich gewesen, mich zu verteidigen, da ich mich nicht frei bewegen konnte! Jede auf mich gefeuerte Kugel mußte mich treffen, da es mir nicht gelingen konnte, ihr auszuweichen. Die einzige Art der Rettung bestand darin, daß ich dem Feind zuvorkam. Darum hatte ich meine beiden Revolver bereits draußen vor der Feime in die Hände genommen, weil ich sonst, zwischen den Bündeln eingepreßt, nicht in den Gürtel oder die Taschen zu greifen vermocht hätte. Alles andere, selbst das Messer und den ganzen Inhalt meiner Taschen hatte ich in dem Turm zurückgelassen, da etwas Verlorenes hier schwerlich wieder zu finden war.
Die kreisförmige Grundfläche des Schobers konnte einen Durchmesser von vierzehn Ellen haben. Die Wände waren ungefähr vier Ellen dick; also besaß der innere leere Raum einen Durchmesser von wohl sechs Ellen, so daß ein Dutzend Personen in sitzender Stellung ganz gemächlich darin Platz finden konnten. Janik hatte weniger angegeben. In der Mitte war ein starker, hoher Pfahl in die Erde gerammt; welcher das dicke Strohdach trug. Rundum lagen Getreidebündel, um als Sitze zu dienen, und an dem Pfahl hing eine brennende Laterne, welche den sonst dunklen Raum erleuchtete. Der Eingang bestand aus einigen weniger starken Gebunden, welche sehr leicht weggezogen und wieder vorgeschoben werden konnten, was von außen gar nicht, von innen aber sehr deutlich zu bemerken war.
Wozu hatte Murad Habulam dieses Versteck erbaut? Etwa nur, um seinen Bruder Manach el Barscha darin zu verbergen? Dann hätte er den Innenraum bedeutend kleiner machen können. Und jedenfalls gab es in seinem Hause und Gehöft wohl noch einen anderen und weit bequemeren Platz, welcher als Aufenthalt einer einzelnen Person geeignet war. Übrigens kam der einstige Steuereinnehmer doch wohl nur zu Pferd, und es mußte also für das Tier noch ein besonderes Versteck vorhanden sein.
Nein, diese Feime war jedenfalls zur Aufnahme größerer Gesellschaften bestimmt; sie diente zu geheimen Zusammenkünften, und es war leicht zu vermuten, daß die hier verkehrenden Personen zu den Anhängern des Schut gehörten.
War das aber wirklich der Fall, so stand es fest, daß Murad Habulam ein hervorragendes Mitglied dieser Verbrecherbande sei. Er, welcher das Podagra simuliert hatte, war seiner Füße so gut mächtig, daß er trotz des Unwetters nach der Feime hatte gehen können. Er saß mir grad gegenüber. Zu seinen beiden Seiten befanden sich sein Bruder Manach el Barscha und Barud el Amasat. Neben dem letzteren saß der alte Mübarek, welcher den Arm in einer Binde trug. Am Eingang stand Humun, der Diener, und ihm gegenüber der Miridit, der Bruder des toten Fleischers zu Sbiganzy. Er war also doch auch gekommen, wie ich vermutet hatte.
Auf derjenigen Seite, an welcher ich versteckt war, befanden sich drei Personen, nämlich die beiden Aladschy und Suef, der Spion. Sehen konnte ich sie nicht, da sie niedriger saßen, als mein Kopf sich in dem Stroh befand, aber ich hörte sie reden.
Das waren also neun Personen, deren Feindschaft wir vier uns zu erwehren hatten. Ihre Kleider waren vom Regen durchnäßt, und nun hingen die Spelzen des Getreides so massenhaft an denselben, daß man die eigentliche Farbe gar nicht zu erkennen vermochte.
Der erste, welchen ich reden hörte, war der Miridit. Er machte die mich
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