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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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liegen. So hoch ich auch die Beine nahm, es gelang mir nur mit großer Anstrengung, Mund und Nase von Zeit zu Zeit aus dem Wasser zu bringen, um Atem holen zu können. Dabei gab ich mir die größte Mühe, mich nach und nach dem Ufer zu nähern.
    Das war gar nicht so leicht, wie es dem Leser scheinen mag. Das Ufer brach die Flut und warf sie in hohen, langen Wellenstrichen bis auf die Mitte des Stromes herüber; ich konnte nur aufwärts und wenig seit-, aber gar nicht vorwärts sehen, und doch mußte ich mich vor den vielen Gegenständen in acht nehmen, welche in den Fluten schwammen oder aus denselben emporragten. Die Leute am Ufer rannten stromabwärts, in gleicher Richtung mit mir und machten mich durch ihr Schreien irre. Sie konnten freilich kaum so schnell laufen, wie ich schwamm, denn ich schoß mit einer Schnelligkeit vorwärts, welche mich zu betäuben drohte. Da galt es, kaltblütig zu bleiben. Wenn ich in den vielen Strudeln und Wirbeln, durch welche ich kam, falsch ausstieß; wenn ich überhaupt nur für kurze Zeit das Selbstvertrauen verlor, so war ich verloren und die Frau mit mir. Im vollständigen Anzug zu schwimmen, ist schon bei ruhigem Wasser eine böse Sache; aber bei dieser Aufregung des Elementes, mit einer solchen Last auf mir und mit den mir vorher so willkommenen, jetzt aber fatalen Gichtstiefeln des Arztes von Radowitsch an den Füßen, das war denn doch etwas anderes. Wie sich dann herausstellte, war ich gar nicht lange im Wasser gewesen, aber die Zeit dehnte sich mir doch zu einer kleinen Ewigkeit aus.
    Endlich, endlich war es mir gelungen, von der mich gewaltig mit fortreißenden Mitte des Stromes zur Seite und über die an dem eigentlichen Ufer sich bildenden Drehen hinwegzukommen. Ich befand mich in dem ruhigen Wasser des überschwemmten Landes, konnte aber zu meinem Erstaunen keinen Grund finden. Das machte mich irre; denn als ich versuchte, Boden zu fassen, fuhr ich tief, tief hinab. Da hörte ich eine Stimme mir zurufen:
    „Allahy sewersin! Daha uzak, daha uzak jüz! Orada tschukurler. Schurada gel! – – – Um Gottes willen! Schwimm weiter, weiter! Dort sind Gruben. Komm hierher!“
    Man hatte beim Aufwerfen des Eisenbahndammes den nebenan liegenden Boden benutzt, wobei natürlich tiefe Gruben entstanden waren, über denen ich mich jetzt befand. Ich konnte den Rufenden nicht sehen, da mir das Wasser über die Augen flutete; aber ich vermutete, daß er auf dem Bahndamm stehe, und schwamm demselben zu. Der Damm ragte aus dem Wasser empor, welches bis zu ihm reichte.
    Als ich dort ankam, langten zehn, zwanzig Hände nach mir und nach dem Weib. Die leblose Gestalt wurde mir abgenommen. Halb kroch ich auf den Damm hinauf, halb wurde ich gezogen. Erst jetzt fühlte ich, daß meine Kleider wie zentnerschwer an mir hingen.
    Lauter Jubel herrschte um mich her; zwei Stimmen nur ergingen sich in Klagen. Die Betreffenden glaubten, die Frau sei tot. Ich aber sagte ihnen, daß sie unmöglich ertrunken sein könne; freilich sei es möglich, daß der Schlag sie getötet habe. Sie wurde stromaufwärts nach den Bretterhütten der Arbeiter getragen.
    Jetzt hörte ich den nahenden Hufschlag. Meine drei Gefährten kamen im Galopp auf dem Bahndamm herbeigeritten. Halef war der Vorderste von ihnen.
    „Sihdi, Sihdi!“ rief er schon von weitem. „Bist du tot oder lebst du noch?“
    „Ich lebe!“ antwortete ich. „Ich befinde mich sogar pudelwohl.“
    „Allah sei Lob, Preis und Dank gesagt!“
    Er sprang vom Pferd, warf sich neben mir auf die Erde, ergriff meine beiden Hände und sagte:
    „Wie kann man nur in solches Wasser springen! Hast du davon trinken müssen?“
    „Ja, und es schmeckte beinahe wie das Bier des Wirtes von Radowitsch.“
    „Ich mag es lieber nicht kosten. Allah, Allah, wie war ich erschrocken, als du in dem Fluß verschwandest! Ist denn ein Weib es wert, daß man das Leben wagt?“
    „Natürlich! Würdest du für Hanneh, die Lieblichste der Töchter und Frauen, nicht dein Leben wagen?“
    „Ja, das ist Hanneh! Aber wer war dieses Weib? War sie deine Verlobte oder Schwester? Hatte sie dich lieb gehabt, und soll sie einst deine Frau werden?“
    „Sie war ein Menschenkind, welches sich in Todesnot befand, und ich brauche mich ja vor dem Wasser nicht zu fürchten.“
    „Aber dieser Fluß ist heute ergrimmt. Sieh nur, wie wild er tut, daß ihm sein Opfer entrissen worden ist. Ich habe dir Rih mitgebracht, da du nicht gehen kannst. Steige auf! Wir müssen einen Ort

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