16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
aufsuchen, an welchem du deine Kleider trocknest.“
„Wo sind meine Gewehre und die übrigen Sachen?“
„Ich habe alles. Die Gewehre hängen dort am Sattel.“
„Und wie ist es den andern Insassen des Kahnes ergangen?“
„Die beiden Ruderer haben wir auf die Fähre gezogen; aber der Schneider war ins Wasser gestürzt.“
„So ist er ertrunken?“
„Nein. Der Scheïtan will noch nichts von ihm wissen. Ich habe ihn mit seiner Mähre schwimmen sehen; wollen ihn einmal suchen.“
Er richtete sich wieder auf und spähte nach Suef. Dann deutete er abwärts.
„Dort sind beide, er und sein Pferd.“
Ich schaute in die angegebene Richtung und erblickte weit abwärts von uns den Genannten, welcher den Schwanz seines Pferdes ergriffen hatte und sich von dem Tier ziehen ließ. Beide waren dem Ufer ganz nahe. Diese alte Mähre war wirklich ein kostbares Tier.
„Soll ich hinabreiten und ihm eins auf die Nase geben, wenn er aus dem Wasser kommt?“ fragte der Hadschi.
„Nein, er wird genug Angst ausgestanden haben. Das ist hinreichend für ihn.“
„Aber er allein trägt die Schuld, daß du in das Wasser springen mußtest!“
„Das ist kein Grund, ihn totzuschlagen.“
„Aber er wird uns entkommen. In deinem Zustand kannst du ihm doch nicht folgen!“
„Laß ihn laufen! Wir holen ihn schon noch ein.“
Natürlich bezeugten auch Osco und Omar mir ihre große Freude über das Gelingen der Wassertour, welche gar nicht auf unserem Programm gestanden hatte. Wir waren umgeben von Bahnarbeitern, welche in die Freudenrufe einstimmten und mich aufforderten, nach einer der Hütten zu kommen, wo ein Soba (Ofen) vorhanden sei, an welchem ich meine Kleider schnell trocknen könne! Das war freilich das Notwendigste, was ich zu tun hatte. Darum stieg ich auf und ritt zurück, grad in demselben Augenblick, als auch der Schneider das Ufer erreicht hatte. Was er jetzt tat, konnte mir einstweilen gleichgültig sein.
Ich brauchte mein Pferd nicht zu lenken; dafür sorgten die Bahnarbeiter. Sie ergriffen die Zügel, ja sogar auch die Bügel. Die anderen schritten voran, neben- und auch hinterher, und so wurde ich fast wie im Triumph fortgeschafft – ein etwas nasser Triumph, da mir das Wasser durch die Kleider nach unten sickerte und dann von den ‚Gichtstiefeln‘ tropfte. Als ich mich einmal umwandte, sah ich, daß Suef querfeldein galoppierte. Pferd und Reiter schienen also mit gänzlich heiler Haut davongekommen zu sein.
Halef hatte meinen Blick gesehen. Er machte ein sehr finsteres Gesicht, drohte mit der Faust nach dem Reiter hin und sagte:
„Kem lahana unzuw ümri war; lakin Allah war eder, Allah jog eder – Unkraut hat langes Leben, aber Allah schafft, und Allah vernichten.“
Er wollte in seinem Zorn sagen, daß der Schneider, dieses Unkraut, ausgerottet werden solle.
Da, wo die Fähre am rechten Ufer gelandet hatte, stand der Fährmann mit seinen drei Gehilfen. Als er mich kommen sah, erhob er seine Stimme und rief in pathetischem Ton:
„Tausendmal Dank den heiligen Kalifen, zehntausendmal Lob dem Propheten und hunderttausendmal Preis Allah, dem Allmächtigen, die dich beschützt haben im Augenblick der Gefahr. Als ich dich in die Fluten stürzen sah, war mein Herz starr wie Stein, und meine Seele weinte blutige Tränen. Nun ich dich aber wohlerhalten wiedersehe, ist mein Geist voll Jubel und Entzücken, denn du wirst dein Wort halten und uns das Bakschisch geben, welches du uns versprochen hast.“
Also das war der langen Rede kurzer Sinn. Ich schüttelte den Kopf und antwortete:
„Ich weiß von keinem Versprechen.“
„So hat das Wasser dich irre gemacht. Denke daran, was gesprochen wurde, als dein Begleiter uns mit der Peitsche ermahnte, schneller zu sein.“
„Mein Gedächtnis hat nicht gelitten; ich besinne mich auf jedes Wort. Du hast ein Bakschisch verlangt, aber ich habe nichts dazu gesagt.“
„O Emir, wie beklag ich dich! Deine Gedanken sind dennoch schwach geworden! Eben daß du mir nichts entgegnet hast, muß als Einwilligung auf meinen Vorschlag gelten. Wolltest du uns das Bakschisch verweigern, so hättest du das deutlich erklären müssen. Weil du dies jedoch unterlassen hast, so müssen wir es erhalten.“
„Und wenn ich es doch verweigere?“
„So sind wir gezwungen, deine Seele zu strafen und dich für einen Mann zu halten, dem sein Versprechen nichts gilt.“
Damit aber kam er schlimm an, nicht bei mir, sondern bei den Arbeitern. Daß er auf der Auszahlung eines
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