16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
Handvoll.“
„Schön! Ich werde es dir in eine Tüte tun, Herr! Was willst du noch?“
Unten auf dem Fußboden lag ein Papier. Ich hätte fünfhundert Piaster gewettet, daß dasselbe von der Straße aufgelesen worden war. Sie hob es auf, drehte es zusammen, fuhr mit der Zunge über die Kante, damit es kleben sollte, und tat mir eine Handvoll der Celtis australis hinein. Da ich das Mittel äußerlich anwenden wollte, so erhob ich keinen Einspruch gegen dieses familiäre Gebaren der Apothekerin.
„Hast du Alkali?“ fragte ich.
Sie blickte mich verwundert an, obgleich das Wort ein bekanntes arabisches war. Er aber zog den Mund zu einem sehr selbstbewußten Lächeln in die Breite und erkundigte sich:
„Von welchem willst du?“
„Das ist mir gleich.“
„Herr, ich habe erfahren, daß deine Heimat im Westen liegt. Ich besitze ein sehr gutes Alkali von dort her, und wenn du es willst, kannst du es haben.“
„Wie nennst du es?“
„Schawell suju.“
„Zeige es mir!“
Er brachte wirklich, wie ich vermutete, ein Fläschchen zum Vorschein, auf welchem zu lesen war: ‚Eau de Javelle, fabrique de Charles Gautier, Paris.‘
„Wie kommst du zu diesem Alkali?“ fragte ich ihn.
„Ich kaufte mehrere Fläschchen von einem Commis voyageur, welcher bei mir war. Er kam aus der Hauptstadt von Fransa, die Praga heißt.“
„Du irrst, Prag ist die Hauptstadt von Böhmen, während die Hauptstadt von Fransa Paris heißt.“
„Effendi, das weißt du alles?“
Da fiel seine Gemahlin schnell ein:
„Sus – schweige! Das habe ich längst gewußt. Du bist ein Dummkopf, aber kein Arzt und Apotheker! Herr, was willst du noch?“
„Hast du Quecksilber!?“
„Ja. Wir brauchen es zum Füllen des Barometers und des Thermometers, die wir verfertigen.“
„Wie? Ihr macht sie selbst?“
„Ja. Traust du uns es nicht zu?“
„O, sehr gern! Wer so viele Arzneien studiert hat, der kann alles!“
„Nicht wahr? Ja, du bist ein vernünftiger und hochgebildeter Mann. Jetzt haben wir Vorrat aus Saloniki bekommen. Wenn wir einmal kein Quecksilber haben, tun wir Ziegenmilch in die Röhren, die sieht auch weiß aus und zeigt das Wetter genauer an als das Quecksilber.“
„Sprichst du im Ernst?“
„Gewiß. Hast du das noch nicht gewußt?“
„Nein, meine Verehrte.“
„So hast du nun den Beweis, daß wir hier klüger sind als ihr in den westlichen Ländern. Die Ziegen wissen ganz genau, was für Wetter wird. Wenn es regnen will, rennen sie stracks nach dem Stalle. Also muß die Milch ein gutes Mittel in die Röhren sein.“
„Du bist eine kluge Frau. Das habe ich dir freilich auf der Stelle angesehen.“
„Wieviel willst du denn von dem Quecksilber, Herr?“
„Ungefähr 500 Gramm. Hast du so viel?“
„Noch mehr.“
„So warte noch. Ich muß erst sehen, ob ihr noch einen Stoff habt, den ich dazu brauche.“
„Welchen meinst du?“
„Kül kurschuni (Aschblei = Wismut). Das ist freilich ein seltenes Metall. Solltest du es haben?“
„Kül kurschuni haben wir nicht, aber Kül kalaji (Aschzinn, auch Wismut), welches wir brauchen, um eine schöne, weiße Schminke daraus zu bereiten.“
„Auch das geht an. Hast du ein Vikiey (500 Gramm) davon, so gib es mir und zwei Vikiey Quecksilber dazu.“
„Soll ich es dir auch gleich hier in die Tüte gießen?“
„O nein! Das Quecksilber würde uns sofort entwischen.“
„Ach freilich! Es ist wie die Liebe der Männer, die auch sofort verschwindet, wenn – wenn – – –“
„Wenn man sie in eine solche Tüte schüttet?“
„Ja, aber die Tüte ist das Herz. Es vermag eure Liebe nicht festzuhalten. O, die Liebe, die Liebe! Die hat schon manches arme Weib unglücklich gemacht.“
Sie warf einen wütenden Blick auf ihren Mann, riß ihm die Haube vom Kopf, schwang sie auf ihr eigenes Haupt und zürnte.
„Mensch, wie kannst du dich mit einer Zinet mäenneslpkün (Zierde der Weiblichkeit) schmücken! Willst du die Seele deines Weibes entweihen?“
Er bedeckte seine Glatze schnell mit beiden Händen und schrie:
„Weib, du versündigst dich an der heiligen Würde des Mannes! Weißt du nicht, daß es uns verboten ist, das Haupt unseres Körpers zu entblößen!“
Aber die geistreiche Frau wußte sich zu helfen. Sie antwortete:
„Bunda jokary kaldyr haß kutuju – da, setze die Mehlschachtel auf!“
Zu gleicher Zeit griff sie nach einer runden Pappschachtel, in welcher sich noch ein Rest feines Mehl befand, und stülpte ihm dieselbe, ohne
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