16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
zielen!“
Er sprang die Steilung hinab, von Stein zu Stein, und sein Bruder folgte ihm, jetzt ebenso erregt wie er. An mich dachten sie nicht mehr. Jetzt hätte ich Zeit und Gelegenheit gehabt, mich zu salvieren. Aber so durfte es nicht geschehen. Um Halef war mir nicht bange – und dennoch auch um ihn. Ich konnte mir wohl denken, daß die drei nach ungefähr zweitausend Schritten zwar nicht halten, aber doch wieder im Schritt reiten würden, und dann konnten sie von den Skipetaren unbemerkt eingeholt und von den Pferden herabgeschossen werden. Allerdings hatten die Wegelagerer keine Schüsse mehr in ihren einläufigen Flinten, aber sie konnten schnell wieder laden. Also – ich mußte sie am Forteilen hindern.
Ein mächtiger Sprung brachte mich zu ihren Schecken und im Nu waren dieselben losgebunden. Ich zog die Peitsche aus dem Gürtelshawl und schlug auf sie ein. Sie bäumten auf und schossen davon, in das Buschwerk hinein, wo sie allerdings nicht weit kommen konnten, denn sie mußten mit den Zügeln hängen bleiben.
Nun sprang ich wieder vor und schrie den beiden Skipetaren nach: „Sandar, Bybar, halt, halt! Die Schecken haben sich losgerissen!“
Das wirkte – sie blieben stehen. Ihre vortrefflichen Pferde wollten sie doch nicht einbüßen.
„Binde sie wieder an!“ rief Sandar zurück.
„Sie sind ja fort!“
„Hölle und Teufel! Wohin denn?“
„Weiß ich es? Frage doch sie selbst!“
„O du Dummkopf!“
Sie kamen zurückgerannt. Ich an ihrer Stelle hätte mich nicht so sehr beeilt, sondern vielleicht doch den Rappen bekommen. Die Schecken waren ihnen ja doch sicher.
Sie stiegen die Böschung herauf, aus vollen Hälsen auf mich schimpfend. Sandar war der erste, welcher oben anlangte. Ein rascher Blick überzeugte ihn, daß die Pferde wirklich fort waren. Er fuhr auf mich los und schrie:
„Hund! Warum hast du sie nicht gehalten?“
„Ich habe nicht nach den Pferden, sondern nach dem Reiter geschaut, ebenso wie ihr.“
„Du konntest aber aufpassen!“
„Sie sind durch eure Schüsse erschreckt. Warum schießt ihr auf Leute, die euch nichts zuleide tun! Übrigens gehören die Pferde nicht mir, sondern euch. Ich bin nicht euer Knecht und habe nicht auf sie zu achten.“
„Das wagst du uns zu sagen? Nimm dies dafür!“
Er hatte die Flinte in der rechten Hand und holte mit der geballten Linken aus, um nach mir zu schlagen. Ich erhob den Arm, um mit einem Gegenhieb zu parieren, hatte aber einen Stein, welcher hinter mir lag, nicht beachtet und stürzte über denselben hinweg zu Boden.
Da erhob er den Kolben und gab mir einen Stoß an die Brust, den ich nur halb zu parieren vermochte. Der Stoß benahm mir den Atem; aber im nächsten Augenblick schnellte ich empor, packte ihn mit beiden Händen beim Gürtel, hob ihn in die Höhe und warf ihn an den Stamm eines mehrere Ellen von mir stehenden Baumes, daß er an dem Fuß desselben regungslos zusammensank.
Da aber wurde ich von hinten gepackt.
„Schuft, das sollst du büßen!“ rief Bybar, welcher inzwischen herbeigekommen war. Er hatte mich um den Leib gefaßt und wollte mich aufheben. Das hatte noch niemand vermocht. Ich spreizte die Beine aus, zog die Schultern zusammen und holte tief Atem, um mich schwer zu machen. Da aber fühlte ich im linken Fußgelenk einen stechenden Schmerz. Der Fuß versagte mir den Dienst – ich mußte ihn bei dem Fall verletzt haben.
Der hinter mir stehende Skipetar strengte seine ganze Kraft an, mich empor zu bringen. Er keuchte vor Zorn und Anstrengung. Sein Bruder lag besinnungslos an dem Baum. Vielleicht hielt er ihn gar für tot und sah es infolgedessen auf mein Leben ab. Ich fühlte, daß ich nicht länger durch das bloße Beharrungsvermögen widerstehen könne; es war notwendig, mich aus der Umarmung zu lösen. Darum zog ich das Messer und versetzte meinem Gegner einen Stich in die Hand.
Er ließ los, brüllte vor Wut und Schmerz und knirschte:
„Du stichst? So schieße ich!“
Natürlich hatte ich mich schnell umgedreht. Ich sah, daß er die Pistole aus dem Gürtel riß. Beide Hände knackten. Noch konnte ich ihm vielleicht mit dem Revolver zuvorkommen, aber ich wollte ihn ja doch nicht töten. Er erhob die Waffe. Ich schlug gegen dieselbe, just als er den einen Lauf abfeuerte. Der Schuß ging fehl. Blitzschnell erhielt er einen zweiten Faustschlag, und zwar von unten heraus in das Gesicht, an die Nase, daß ihm der Kopf in das Genick flog. Ein Griff und ich hatte ihm die Pistole entrissen,
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