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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Unterarm, aber ohne mit der Hand loszulassen, nach abwärts an den Leib, hob dann den Kerl mit einem blitzschnellen Ruck empor und warf ihn zur Erde.
    Er blieb eine Sekunde lang liegen, ganz verblüfft vor maßlosem Staunen, schnellte dann empor und streckte beide Hände nach mir aus.
    „Noch einmal?“ fragte ich, einen Schritt zurücktretend.
    Ich war zornig geworden. Vielleicht hatten meine Augen jetzt einen ganz anderen Ausdruck, als für die Sehwerkzeuge eines salbungsvollen Scherif passend war, denn der Aladschy prallte zurück, starrte mich an und rief dann:
    „Mensch, du bist ja ein Riese!“
    Ich neigte das Haupt und antwortete in demütigem Ton:
    „Das steht wohl so im Buch des Lebens verzeichnet. Ich kann nicht dafür.“
    Die beiden brachen in ein lautes Gelächter aus.
    „Weißt du, Bybar, der Kerl ahnt gar nicht, was für Kräfte er hat“, sagte Sandar.
    Dieser aber betrachtete mich mit mißtrauischem Blick vom Kopf bis zum Pantoffel herab und antwortete:
    „Das ist nicht bloß Riesenkraft, er hat auch Übung. Diesen Griff macht ihm nur einer nach langem Wiederholen nach. Scherif, wo hast du das gelernt?“
    „Bei den heulenden Derwischen in Stambul. Wir balgten uns zum Spaß in freien Stunden.“
    „Ah so! Schon glaubte ich, du seiest ein ganz anderer, als du zu sein scheinst. Das ist dein Glück; denn wenn du uns täuschen wolltest, so wäre dein Leben grad so viel wert, wie dasjenige einer Fliege im Schnabel eines Vogels. Du wirst dich jetzt nicht wieder neben, sondern zwischen uns setzen. Dich müssen wir vorsichtig behandeln.“
    Wir kehrten zu unserem vorigen Platz zurück, und die beiden nahmen mich dort in die Mitte. Ihr Mißtrauen war wach geworden. Meine Lage hatte sich nun verschlimmert, doch bangte mir trotzdem nicht, da ich mit den Revolvern ihnen auf alle Fälle weit überlegen war.
    Es ward nicht mehr gesprochen. Die beiden Helden der Landstraße mochten denken, daß unter den jetzigen Verhältnissen das Schweigen am ratsamsten sei. Mir war das freilich ganz lieb. Wenn ich ja einige Besorgnis hegte, so war es nicht für mich, sondern für meine Gefährten. Vielleicht wurde mein Zettel doch nicht von ihnen bemerkt oder von vorher kommenden Leuten oder durch irgend einen Zufall abgerissen. Das mußte ich nun freilich mit Ruhe abwarten.
    Ein angenehmes Gefühl ist es jedoch nicht, zwischen zwei bärenstarken und bis an die Zähne bewaffneten Wegelagerern zu sitzen. Daß es in der Türkei eine Menge solcher Menschen geben kann, das ist sehr leicht erklärlich; es liegt an den dortigen Verhältnissen. Liest man doch sogar heutzutage in fast jeder Nummer irgend einer Zeitung von gewaltsamen Grenzüberschreitungen, Räubereien und Ausplünderungen. Erst kürzlich hat die Regierung eine Bekanntmachung erlassen, in welcher sie befiehlt, daß jeder Richter nun endlich doch einmal nach dem Gesetz urteilen solle. Ein bekannter, und ‚mächtiger‘ Pascha sendet die Drohung an die Pforte, daß er sofort seine Entlassung nehmen werde, wenn es ihn nicht erlaubt sein solle, die in seinem Distrikt überhandnehmenden Räubereien zu bestrafen. Ist es da ein Wunder, wenn in solchen Gegenden der Reisende sich selbst ein Recht spricht, weil er es sonst nicht findet? Ist es unbegreiflich, daß immer neue Banden auftauchen, wenn kaum eine alte zersprengt worden ist? Der friedliche Bewohner ist fast gezwungen, es mit diesen Leuten zu halten. Sie sind die wahren Herren und führen ein grausames Regiment.
    Wir hatten nun so lange dagesessen, daß mir die Geduld ausgehen wollte; da endlich hörten wir von rechts her ein Geräusch.
    „Horch! Es kommt jemand“, sagte Sandar und griff nach seinem Beil. „Vielleicht sind sie es!“
    „Nein“ antwortete sein Bruder. „Es ist nur ein einzelner Reiter. Dort biegt er um die Ecke.“
    Ich blickte zurück und sah zu meiner Freude Omar kommen, und zwar ganz allein. Man hatte meinen Zettel also gesehen und gelesen.
    Er kam langsam herbei, den Kopf tief geneigt, wie in Gedanken versunken. Er sah weder rechts, noch links.
    „Wollen wir –?“ fragte Bybar, indem er auf seine Flinte deutete.
    „Nein“, antwortete Sandar. „Der Kerl hat nichts; das sieht man ihm ja an.“
    Sie genierten sich also gar nicht, in meiner Gegenwart von ihrem eigentlichen Handwerk zu sprechen.
    Omar ritt vorüber, ohne nur einmal aufzublicken. Er hatte erkannt, daß dies das allerbeste war.
    Nach einiger Zeit bemerkte Sandar:
    „Dort kommt wieder einer!“
    „Auch so ein

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