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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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an allen Seiten, oben und unten, rechts und links, hinten und vorn, weit aufgebauscht. Er enthielt jedenfalls die wandernde Apotheke des Arztes.
    Zum Überfluß hing diesem Heilkünstler noch ein ziemlich großer, viereckiger Korb an einem Riemen von der Schulter herab, jedenfalls das Etui seiner kostbaren Instrumente.
    Er hatte dicke wollene Strümpfe mit doppelten Filzsohlen an, und mit diesen steckten die Füße dann in Pantoffeln, welche mit großen Zwecken beschlagen waren und zu derjenigen Sorte zu gehören schienen, die man sehr drastisch mit den Worten bezeichnet: ‚in zwei Schritten über den Rhein hinüber‘.
    Als er eintrat, schnallte er diese Pantoffeln von den Füßen und kam in den Strümpfen auf mich zu, eine Höflichkeit, die bei ihm chronisch geworden zu sein schien.
    Da ich den Fuß im Wasserbad hatte, wußte er natürlich gleich, daß ich es sei, der seiner Hilfe bedürfe. Er machte mir eine Verneigung, bei welcher ihm der Korb nach vorn rutschte und es schien, als ob der Riemen ihn erwürgen wollte. Ich erwiderte diesen Gruß nach bestem Wissen und Können. Jetzt nahm er den Korb herab, setzte ihn auf den Boden nieder und fragte:
    „Sprichst du gern viel?“
    „Nein“, antwortete ich kurz.
    „Ich auch nicht. Also kurze Fragen, kurze Antworten und schnell fertig!“
    Eine solche Energie hatte ich dem Dicken gar nicht zugetraut. Mit ihr konnte er in Radowitsch freilich imponieren und gute Geschäfte machen. Er stellte sich breitbeinig vor mich hin, betrachtete mich von oben bis unten und examinierte dann:
    „Du bist doch der mit dem Fuß?“
    „Nein, der mit zwei Füßen!“
    „Was! Alle beide gebrochen?“
    Er hatte meine Ironie nicht verstanden.
    „Nur einen, den linken.“
    „Doppelbruch?“
    O wehe! Er sprach von Doppelbruch! Warum nicht gleich Dezimalbruch! Übrigens war das seine Sache. Von mir konnte er nicht verlangen, zu wissen, wie es mit der Verletzung stand.
    „Nur Verrenkung“, antwortete ich.
    „Zunge heraus!“
    Das war noch hübscher! Aber ich tat ihm den Gefallen und zeigte sie ihm. Er betrachtete sie, befühlte sie, schob die Spitze hin und her, auf und ab und meinte dann kopfschüttelnd:
    „Gefährliche Verrenkung!“
    „Nein, nur unvollständig!“
    „Still! Ich sehe es an der Zunge! Seit wann verrenkt?“
    „Drei Stunden, höchstens vier.“
    „Schon viel zu lange! Kann leicht Blutvergiftung eintreten!“
    Fast hätte ich ihm in das Gesicht gelacht; aber ich beherrschte mich und wunderte mich nur darüber, daß das Wort ‚Blutvergiftung‘ sich auch schon im Türkischen eingebürgert hatte.
    „Schmerz?“ fragte er weiter.
    „Zum Aushalten.“
    „Appetit?“
    „Stark und vielseitig.“
    „Sehr gut, ganz gut! Werden's überstehen. Den Fuß zeigen!“
    Er kauerte sich nieder. Da ihm das nicht recht bequem war, setzte er sich ganz neben das Wassergefäß, und ich legte ihm zutraulich den triefenden Fuß in den Schoß.
    Er betastete ihn erst leise und dann stärker mit den Fingerspitzen, nickte endlich und fragte mich:
    „Schreist du leicht?“
    „Nein.“
    „Sehr gut!“
    Ein schneller Griff, ein kräftiger Ruck, ein leichtes Knirschen im Gelenk – dann sah er mich blinzelnd an und fragte:
    „Nun, wie war's?“
    „Allerliebst.“
    „So sind wir fertig!“
    „Ganz?“
    „Nein. Nun noch verbinden.“
    Als Chirurg war er jedenfalls ein ganz tüchtiges Kerlchen. Wer weiß, wie ein anderer mich gequält hätte, nur um die Sache gefährlicher erscheinen zu lassen und ein besseres Honorar zu verdienen.
    „Womit verbinden?“ fragte ich.
    „Mit Schienen. Wo ist Holz?“
    „Mag ich nicht!“
    „Warum nicht?“
    „Taugt nichts.“
    „Taugt nichts! Willst du etwa silberne oder goldene Schienen mit Brillanten besetzt?“
    „Nein, ich will einen Gipsverband.“
    „Gips? Bist du toll? Mit Gips schmiert man Wände und Mauern an, aber keine Beine!“
    Hier lag seine schwache Seite. Ich befand mich eben in der Türkei.
    „Und mit Gips macht man auch prachtvolle Verbände“, behauptete ich.
    „Möchte ich sehen!“
    „Kannst's sehen. Habe nach Gips geschickt.“
    „Wie willst du das machen?“
    „Warte es ab!“
    „Wenn du aber keinen Gips bekommst?“
    „So mache ich den Verband aus Kleister.“
    „Kleister!“ schrie er auf. „Willst du mir etwas aufbinden?“
    „Nein.“
    „Das bilde dir auch nicht ein!“
    „O, wenn ich nur wollte!“ lachte ich.
    „Was! Ich bin ein Gelehrter!“
    „Ich auch.“
    „Was hast du studiert?“
    „Alles!“

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