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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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antwortete ich kurz genug.
    „Und ich noch dreimal mehr! Ich kenne sogar das erste Dispensatorium von Sabur Ibn Saheli!“
    „Und ich habe das ganze medizinische Wörterbuch von Abd al Meschid im Kopf!“
    „Ich habe es nicht bloß im Kopf, sondern im ganzen Leib und in allen Gliedern. Ein Verband von Gips oder gar Kleister! Gips ist Mehl, und Kleister ist weich und flüssig. Ein Verband muß aber fest sein.“
    „Gips und Kleister werden fest. Du wirst dich wundern. Überhaupt darf der Verband jetzt noch gar nicht angelegt werden. Erst muß ich Umschläge machen, bis die Geschwulst sich gesetzt hat und die Schmerzen sich gemildert haben. Verstanden?“
    „Allah! Du redest ja wie ein Arzt!“
    „Ich verstehe es auch!“
    „Nun, so renke dir deine Knochen selber ein, wenn du sie dir ausgerenkt hast. Warum ließest du mich holen?“
    „Um dir meine Zunge zu zeigen.“
    „Da ist eine Rinderzunge größer und imponierender. Das merke dir! Mein Besuch kostet zehn Piaster. Du bist ein Fremder und zahlst also doppelt. Verstanden?“
    „Hier hast du zwanzig Piaster. Komme mir aber ja nicht wieder!“
    „Fällt mir gar nicht ein! Ich habe an diesem einen Mal genug.“
    Er warf das Geld in einen Schlitz seines Kaftans, hing sich den Korb wieder über die Schulter und ging an die Tür. Dort fuhr er in die Pantoffeln und wollte eben, ohne mich eines Abschiedsgrußes zu würdigen, zur Tür hinaus, als Omar eintrat, mit einem Gefäß in der Hand.
    Der Arzt blieb stehen, betrachtete den Inhalt des Gefäßes und fragte:
    „Was hast du da?“
    „Altschy – Gips.“
    „Ah, das ist also der Gips, aus welchem die Schienen gemacht werden sollen? So eine Verrücktheit, so ein Unsinn; das ist doch so im höchsten Grade lächerlich, daß nur ein Übergeschnappter daran denken kann!“
    Noch hatte Omar die Tür offen, unter deren Öffnung er stand. Jetzt zog er sie hinter sich zu, daß der Arzt ja nicht hinaus könne, setzte das Gefäß auf den Boden nieder, faßte den dicken Mediziner hüben und drüben bei den Armen und fragte:
    „Du, Molch, wer bist du denn eigentlich?“
    „Ich bin der Arzt, verstanden.“
    „Na, du magst auch ein schöner Pflasterstreicher sein! Was hast du denn da von Verrücktheit, Unsinn und Lächerlichkeit zu reden? Unser Effendi hat den Gips verlangt; er braucht ihn, und er weiß stets, was er tut. Tausend solche Wänste wie du haben nicht so viel Klugheit in ihren leeren Köpfen, wie bei ihm an der Spitze eines seiner Haare klebt. Wenn du ihn mit solchen Worten beleidigst, so kannst du sehr leicht in den Quark zu sitzen kommen! Dir sieht man es ja gleich an, daß die Dummheit deine Mutter ist!“
    Das war dem Mann der Wissenschaft wohl noch nie passiert. Er riß sich von Omar los, trat einige Schritte zurück, holte tief Atem und platzte los, als ob seine Lunge mit Pulver geladen gewesen sei:
    „Soll ich dir etwa hier mit meiner Mütze das – das lose Maul stopfen? Hier hast du sie, du Sohn eines Affen, du Enkel und Urenkel eines Pavian!“
    Er riß sich die Mütze vom Kopf, ballte sie zusammen und warf sie Omar in das Gesicht. Dieser ergriff sie, langte mit der anderen Hand in sein Gefäß, füllte sie mit Gipsmehl und sagte:
    „Da hast du den Deckel deines durchlöcherten Verstandes wieder!“
    Und er warf ihm die mit Gips gefüllte Mütze in das vor Zorn hochrote Angesicht. Der Gips flog aus dem Fez heraus, und im nächsten Augenblick sah der Arzt aus, wie ein aus weißem Pfefferkuchen gekneteter Weihnachtsmann. Das Gipsmehl war ihm in die Augen geraten. Er wischte und wischte, stampfte dabei mit den Füßen, verlor die Pantoffeln, schrie, wie wenn er am Spieß steckte, und riß endlich, als er wieder sehen konnte, den Riemen seines Korbes über den Kopf von der Achsel herab und wollte den Korb Omar an den Kopf werfen. Dieser aber war darauf vorbereitet und fing den Korb auf; dabei öffnete sich der Deckel, und der ganze Inhalt kollerte zu Boden: Zangen, Scheren, Spateln, Pinzetten, Schachteln und allerlei anderes Zeug, dabei natürlich das Hauptinstrument, dessen sich ein orientalischer Arzt bedient, die Klistierspritze.
    Der gewandte Araber bückte sich schnell und begann den Doktor mit diesen Gegenständen zu bombardieren. Dieser konnte in seiner Wut zu keinem andern Entschluß kommen, als das Recht der Vergeltung zu üben. Er hob die einzelnen Gegenstände, welche von seinem Körper zur Erde fielen, wieder auf und schleuderte sie mit aller Gewalt auf Omar zurück, indem er sie mit den

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