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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kaftan ward über die Stuhllehne gehängt, und man sammelte die Instrumente. Dann wurde mir mein Stübchen hergerichtet. Osco hatte mir längst wieder Wasser gebracht, und ich bemerkte zu meiner Freude, daß die Geschwulst sich minderte. Schmerz fühlte ich gar nicht mehr. Später ließ ich mich in meine Kammer tragen und auf das bereitete Lager betten. Ich machte Umschläge und wollte dann am Abend den Verband anlegen. Dazu war nun allerdings Watte, Gaze, und wieder Gips zu holen.
    Als ich ungefähr drei Stunden gelegen hatte, hörte ich durch die Tür die Stimme des Arztes.
    „Wo ist der Effendi?“
    „Da in der kleinen Stube“, vernahm ich Halefs Antwort.
    „Melde mich an!“
    Halef öffnete die Tür, und der Arzt kam herein, aber wie!
    Er war wie ein Bräutigam gekleidet. Ein blauseidener Kaftan umhüllte den Leib bis herab zu den Füßen, welche in feinen Saffianpantoffeln steckten, und das Haupt war geschmückt mit einem blau und weiß gestreiften Turban, an welchem eine Granatagraffe glänzte. Seine Miene war feierlich, und sein Gang überaus würdevoll. Unter der Tür blieb er stehen, kreuzte die Arme über der Brust, verneigte sich tief und sagte:
    „Effendim, japarim, ziaret schükürün ittibarün – mein Effendi, ich mache dir die Visite des Dankes und der Hochachtung. Girisch bana ruchsat wer – erlaube mir, einzutreten!“
    Ich neigte feierlich mein Haupt und antwortete:
    „Jaklaschdyr, chosch sen – tritt näher, du bist willkommen!“
    „Effendim, dein Kopf ist die Wiege des Menschenverstandes, und dein Gehirn beherbergt das Wissen aller Völker. Dein Geist ist scharf wie die Schneide eines Rasiermessers und dein Nachdenken so spitz wie die Nadel, mit welcher man einen bösen Schwären öffnet. Darum hattest du das Kismet, die große Frage zu lösen, wie die Brüche, Verstauchungen und Verrenkungen zu behandeln sind. Dein Ingenium hat alle Sphären durchmessen und alle Gebiete der Wissenschaft durchforscht, bis es auf den schwefelsauren Kalk gekommen ist, welcher von unwissenden Barbaren Gips genannt wird. Du hast Wasser dazu getan und ihn umgerührt, damit er seines Kristalls beraubt werde und auf Leinwand gestrichen werden kann, die man um die Gelenke, Knochen und Röhren wickelt, um denselben Halt zu geben, wenn sie dessen bedürfen. Dadurch wirst du im Laufe der Zeit Millionen von Beinen und Armen vor Verkrümmung und Verunstaltung bewahren, und die Professoren der Zukunft werden Piaster sammeln, um dir ein Denkmal zu erbauen, auf welchem dein Kopf in Stein ausgehauen oder deine Gestalt in Erz gegossen ist. Auf der Platte des Denkmals wird dein Name in goldener Schrift glänzen. Bis dahin aber soll er in meinem Buch der Notizen stehen, und ich bitte dich, ihn mir zu nennen, damit ich ihn aufschreiben kann.“
    Er hatte das feierlich, im Deputationston gesprochen. Leider bestand die Deputation nur aus ihm allein.
    „Ich danke dir!“ antwortete ich ihm. „Die Wahrheitsliebe gebietet mir, dir mitzuteilen, daß nicht ich es bin, der die große Erfindung gemacht hat. In meinem Vaterland ist sie so verbreitet, daß alle Ärzte und Laien sie kennen. Willst du dir den Namen des Erfinders aufschreiben, so sollst du ihn erfahren. Der gelehrte Mann, dem so viele Leute ihre Wohlgestalt zu verdanken haben werden, hieß Mathysen und war ein berühmter Wundarzt im Lande Holland. Ich habe deinen Dank nicht verdient, aber es freut mich sehr, daß die Erfindung dir gefällt, und ich hoffe, daß du sie fleißig in Anwendung bringen wirst.“
    „Daß ich fest entschlossen bin, sie in Anwendung zu bringen, werde ich dir beweisen. Aber den Dank darfst du nicht ablehnen. Wenn du auch nicht der Erfinder selbst bist, so hast du doch diese unvergleichliche Wohltat hier eingeführt. Ich werde des heutigen Tages nicht vergessen und habe zu meiner Freude gesehen, daß mein Kaftan noch vorhanden ist. Er soll von nun an mein Firmenschild sein, und ich werde ihn neben der Tür meines Hauses aufhängen, damit alle, die gebrochene Glieder haben, zu ihrer Beruhigung sehen, daß ich sie mit schwefelsaurem Kalk einwickle. Ich habe bereits versucht, wie es zu machen ist, und bitte dich, mein Werk in Augenschein zu nehmen, um mir meine Zensur zu geben. Willst du das?“
    „Sehr gern!“ antwortete ich.
    Er trat an die Fensteröffnung und klatschte in die Hände. Die Tür zur großen Stube ward geöffnet, und ich hörte schwere Tritte.
    „Hier herein!“ gebot er.
    Zunächst erschienen zwei Männer, welche einen

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