16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
dem schönen Gips, mit der Watte und dem Baumwollstoff?“
„Laß ihn laufen!“ antwortete ich. „Was hast du denn gedacht? Mit dem Inhalt dieses Kübels kannst du zwei Häuser angipsen. Einen kleinen Teil davon kann ich brauchen und ich glaube, daß es nun Zeit sein wird, mich zu verbinden.“
„Schön, schön, Effendim! Ich werde gleich beginnen.“
„Langsam, langsam! Verfahre genau nach meiner Anweisung.“
Der Mann war Feuer und Flamme. Während des Verbindens erzählte er mir von den unglaublichen Kuren, die er schon ausgeführt hatte. Als wir fertig waren, meinte er:
„Ja, das ist freilich etwas ganz anderes! Ich werde nun den Versuchs-Patienten wieder holen und ihn dann morgen dir herschaffen lassen.“
„Und wann willst du ihn verbinden?“
„Heute abend noch.“
„O Allah! Da soll er bis morgen liegen? Du wirst ihn töten. Wenn du dich an ihm üben willst, so darfst du es nicht an allen Gliedern zugleich tun, sondern nur an einem einzigen, und sodann mußt du den Verband auch sofort wieder abnehmen, wenn er erstarrt ist. Merke dir übrigens auch, daß man in den Verband Fenster schneiden kann.“
„Wozu?“
„Zur Besichtigung und Behandlung einzelner Stellen. Du hast keinen Lehrer, der dich darinnen unterrichtet, und auch kein Buch zum Studium. Du mußt also selbst nachdenken und Versuche machen.“
„Effendim, bleibe da und gib mir Unterricht! Alle Ärzte dieser Gegend werden deine Schüler sein.“
„Ja, und wir andern geben uns als Modelle dazu her!“ lachte Halef. „Das fehlte noch! Du hast genug gelernt an diesem Nachmittag; nun sieh zu, wie du dir weiter hilfst.“
„Wenn ihr keine Zeit dazu habt, so muß ich auf den Unterricht verzichten. Und es ist wahr, ich habe heute sehr viel gelernt und weiß gar nicht, wie ich dankbar sein soll. Geld wirst du nicht nehmen. So will ich dir ein Andenken geben, Effendim; du wirst dich darüber freuen.“
„Was ist es denn?“
„Mehrere Gläser mit Spiritus und allen Arten von Band- und Darmwürmern, an denen ich sehr große Freude habe. Dir aber gönne ich sie von Herzen.“
„Ich danke dir! Die Gläser würden mir während der Reise nur unbequem werden.“
„Das tut mir leid; aber du sollst dennoch sehen, daß ich dir dankbar bin. Ich gebe dir das liebste, was ich besitze; ein Skelett. Ich habe die Knochen selbst abgeschabt, gekocht, gewässert und gebleicht.“
„Auch dafür muß ich leider danken.“
„Willst du mich beleidigen?“
„Gewiß nicht. Du siehst ein, daß ich kein Skelett zu mir auf das Pferd nehmen kann.“
„Das ist freilich wahr. So erlaube mir wenigstens, daß ich dir die Hand recht herzlich drückte.“
Der Hekim war, wie die meisten dicken Leute, im Grund ein ganz gemütlicher Mann. Er besaß Lernbegierde und Dankbarkeit und hatte sich seit dem Nachmittag sehr geändert. Er fühlte sich ganz glücklich, als ich ihn einlud, unser Abendmahl mit uns einzunehmen, und verabschiedete sich nach demselben mit einer Herzlichkeit, als ob wir alte, gute Freunde wären.
Seine Träger hatten so lange warten müssen und schleppten dann ihre Lasten wieder fort. Anstatt des ›Modells‹ aber lag der Instrumentenkorb und der steife Kaftan, den er als Firmenschild benutzen wollte, auf der Bahre.
Der übrige Teil des Abends verlief unter Gesprächen darüber, was wir am nächsten Tag beginnen sollten. Ich war entschlossen, trotz meines Fußes abzureisen, denn wir durften den vier Männern, welchen wir folgten, keinen so bedeutenden Vorsprung lassen, daß wir ihre Spur verlieren konnten.
Auf dem Zettel, welchen Hamd el Amasat geschrieben hatte und der mir in Edreneh in die Hände gekommen war, stand zu lesen:
„In pripeh beste la karanorman chan ali sa panajir menelikde – sehr schnell Nachricht in Karanorman-Khan, aber nach dem Jahrmarkt in Menelik!“
Menelik lag nun hinter uns, und wir waren dem Bruder Hamd el Amasats bis heute gefolgt, ohne noch eine Ahnung zu haben, wo eigentlich dieses Karanorman liege. Jedenfalls war dieser Ort sein Ziel, und wahrscheinlich trafen die beiden dort zusammen. Sie hatten Schlimmes vor, was wir verhüten wollten. Aus diesem Grund hatten wir den Ritt unternommen. Wenn wir ihnen einen größeren Vorsprung gestatteten, so konnte sehr leicht unser Zweck verfehlt werden. Darum mußten wir morgen unbedingt weiter reiten.
Halef betrachtete mich als Patienten und verlangte, daß ich mich schonen sollte. Osco und Omar aber waren ganz mit mir einverstanden. Letzterer ließ den
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