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16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren

Titel: 16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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großen Kübel trugen, der bis an den Rand mit flüssigem Gips gefüllt war. Der eine hatte auch einen Vorrat von Watte, welcher ausgereicht hätte, zehn Personen einzuwickeln, und der andere hielt einen Pack Kattun in der Hand. Sie legten ihre Lasten ab und entfernten sich.
    Als dadurch Platz entstanden war, kamen abermals zwei Männer herein, welche eine Bahre trugen. Darauf lag ein bärtiger Mensch, dessen Leib bis an den Hals zugedeckt war. Sie setzten die Bahre nieder und gingen dann hinaus.
    „Hier sollst du die ersten Verbände sehen, welche ich anlegte“, begann der Arzt. „Ich habe mir das Material gekauft und diesen Arbeiter kommen lassen, um mir als Modell zu dienen. Er bekommt für den Tag zehn Piaster und die Kost. Erlaube, daß ich das Tuch wegnehme, und betrachte dir den Patienten.“
    Er entfernte die Hülle. Als mein Blick auf das Modell fiel, mußte ich an mich halten, um nicht herauszuplatzen. O Allah, sah der Mensch aus! Der Dicke hatte sich alle möglichen Brüche und Luxationen gedacht und den armen Kerl entsprechend eingegipst. Aber wie!
    Die Achseln, die Ober- und Unterarme, die Ober- und Unterschenkel, sogar die Hüften steckten in Gipsüberzügen, die sicher eine Hand breit dick waren. Auch der Brustkasten war mit einem Panzer versehen, durch welchen eine Pistolenkugel nur schwer hätte dringen können.
    Der Mann lag da wie ein wirklicher Patient, welcher dem Tode nahe ist. Er konnte sich nicht bewegen; ja, er konnte kaum Atem holen. Und das alles für ungefähr achtzehn Groschen pro Tag. Pro Tag! Das war ja das Heitere bei der Sache. Also tagelang sollte er die Verbände tragen, und wozu?
    „Wie lange willst du dieses Experiment währen lassen?“ fragte ich.
    „So lange, bis er es nicht mehr aushalten kann. Ich will die Wirkung studieren, welche der schwefelsaure Kalkverband auf die verschiedenen Körperteile hat.“
    „An einem Gesunden? Die einzige Wirkung wird die sein, daß er es nicht lange aushalten kann. Was ist denn mit seiner Brust geschehen?“
    „Er hat fünf Rippen gebrochen, rechts zwei und links drei.“
    „Und mit den Achseln?“
    „Die Schlüsselbeine sind entzwei.“
    „Und wie steht's mit den Hüftgelenken?“
    „Er hat sich beide Kugeln ausgefallen. Nun aber fehlt noch eins: nämlich der Unterkiefer hat sich ausgehakt, und nun ist eine Mundklemme eingetreten. Wie man das mit Gips verbindet, weiß ich nicht und werde das nun nach deiner Anweisung tun.“
    „O Hekim, das wird ja nie verbunden!“
    „Nicht? – Warum?“
    „Hat man die Verrenkung des Unterkiefers eingerichtet, so ist die Sperre vollständig beseitigt und es bedarf des Gipses nicht.“
    „Gut! Wenn es dir beliebt, so wollen wir annehmen, daß ihm der Mund wieder zugefallen ist.“
    „Sei so gut und mache auch seine Rippen frei! Er schnappt ganz angstvoll nach Luft.“
    „Wie du willst; ich werde von dem Wirt das Werkzeug holen.“
    Sehr neugierig war ich, was er bringen werde. Bei seiner Rückkehr war ich eben beschäftigt, einen Umschlag um den Fuß zu legen, und sah erst empor, als ich Hammerschläge hörte.
    „Um Gottes willen, was machst du denn? Was hast du in den Händen?“
    Ich konnte es nämlich nicht sehen, weil er mir den Rücken zukehrte.
    „Tschekidsch ile kalemkiarlyk – Hammer und Meißel“, antwortete er ganz unbefangen.
    „Da wirst du ihm in Wirklichkeit die Rippen zerschlagen oder ihm den Meißel in die Brust treiben.“
    „Ja, was nimmt man denn?“
    „Schere, Messer oder eine passende Säge, je nach der Stelle und Stärke des Verbandes.“
    „Die Knochensäge befindet sich in meinem Korb, und ich werde sie holen.“
    „Bringe meinen kleinen Gefährten mit herein. Der mag dir helfen, da ich es nicht kann.“
    Als Halef kam, genügten einige Winke, und er machte sich über die Gipskrusten her, obgleich der Arzt dagegen protestierte. Es war eine harte Arbeit und es dauerte so lange, bis das ‚Modell‘ von allen Verbänden befreit war, daß inzwischen Licht angezündet werden mußte, denn es war Nacht geworden. Der arme Kerl, welchem der Arzt nebst allen möglichen Brüchen und Verrenkungen auch noch die Mundklemme hatte aufzwingen wollen, hatte nicht ein einziges Wort gesprochen. Als aber der letzte Verband entfernt war, sagte er zu mir:
    „Ich danke dir, Herr!“
    Ein Sprung, und er war hinaus.
    „Halt!“ schrie der Dicke ihm nach. „Ich brauche dich ja noch! Es geht wieder los!“
    Aber dieser Ruf blieb vergeblich.
    „Da läuft er hin! Was tue ich nun mit

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