16 - Im Schatten des Grossherrn 05 - Durch das Land der Skipetaren
er noch spüren. Was taten sie dann?“
„Sie gaben mir noch einige Hiebe und ritten dann nach Radowitsch zu.“
„Das glaube ich nicht. Ich meine, daß sie nach dem Wald geritten sind, durch welchen du uns zu führen hast. Sie werden uns dort überfallen wollen. Ohne Zweifel kennen sie die Gegend.“
„Du hast ganz recht geraten, Effendi. Auch ich hatte denselben Gedanken und schlich ihnen nach. Bald bogen sie wirklich rechts ein, nach den Bergen zu.“
„Nun stecken sie dort und warten auf uns. Vor allen Dingen muß ich wissen, wie weit deine Geständnisse gegangen sind. Du hast also eingeräumt, daß ich in Radowitsch bin; hast du aber auch von meinem kranken Fuß gesprochen, und daß ich vielleicht in Radowitsch bleiben müsse?“
„Nein – kein Wort.“
„So werden sie uns heute erwarten. Fragten sie nicht, wann wir aufbrechen würden?“
„Ja, und ich sagte, daß ich dies erst noch erfahren müsse. Dann schwuren sie, daß sie mich ermorden und meine Hütte niederbrennen würden, wenn ich sie verraten würde. Dabei sagten sie mir, daß sie die Aladschy seien, von denen ich wohl gehört habe, und sie würden ihre Drohung sicher wahr machen.“
„Und dennoch sagst du es mir?“
„Das ist meine Pflicht und meine Dankbarkeit, Effendi. Vielleicht kannst du es so einrichten, daß sie glauben, ich sei verschwiegen gewesen.“
„Das wird sich leicht ermöglichen lassen. Natürlich bin ich dir dankbar für deine Warnung, ohne welche es uns schlecht ergehen könnte.“
„Ja, Herr, du wärst verloren gewesen“, fiel sein Bruder ein. „Ich habe es mit diesen meinen Ohren gehört.“
„So sind sie also wieder zu dir gekommen?“
„Natürlich! Aber Freude habe ich nicht darüber gehabt, denn ich hatte an ihrem ersten Besuch genug.“
„Das war gestern nachmittag? Oder hattest du sie schon früher gesehen?“
„Gehört hatte ich von ihnen, aber sie noch nicht gesehen. Sie kamen schon am Morgen zu mir, verlangten Raki und setzten sich an den Tisch vor dem Hause, nachdem sie die Pferde hinter dasselbe gebracht hatten, und blieben da sitzen.“
„Ahntest du, wer sie seien?“
„Ja. Ihre Pferde waren scheckig, und ihre riesigen Gestalten paßten genau zu der Beschreibung, welche man mir von ihnen gemacht hatte. Ich war ergrimmt gegen sie, denn ich hielt sie für die Diebe meines Pferdes und Packsattels.“
„Du wußtest also schon, daß beides verschwunden war?“
„Natürlich! Ich sah es gleich, nachdem ich aufgestanden war.“
„Konntest du nicht meinen, daß das Pferd fortgelaufen sei?“
„O, das hatte es noch nie getan, und dann wäre ja der Sattel noch dagewesen.“
„Sehr richtig, denn der Sattel läuft nicht mit dem Pferd davon.“
„Ich erzählte ihnen von dem Diebstahl, und sie mochten wohl bemerken, daß sich mein Verdacht gegen sie richtete, denn sie wurden bösartig gegen mich und zwangen mich schließlich, in der Stube zu bleiben.“
„Und du ließest es dir gefallen?“
„Was sollte ich dagegen tun?“
„Die Hilfe der Nachbarn anrufen.“
„Ich konnte ja nicht fort, sie zu holen, und selbst wenn dies möglich gewesen wäre, so hätte ich es dennoch nicht getan. Zu wem die Aladschy kommen, der tut am besten, ihnen zu gehorchen; denn wenn er auch für den Augenblick einen Vorteil über sie erränge, so würden sie sich doch später an ihm rächen. Ich blieb also ruhig in der Stube. Nicht einmal die Kinder durfte ich holen, was nachher du selbst getan hast, Effendi.“
„Kehrte denn in dieser Zeit niemand bei dir ein? Ich denke, die Ankunft eines Gastes hätte sie vielleicht vertrieben.“
„Haben sie sich durch deine Ankunft vertreiben lassen, Effendi?“
„Freilich nicht.“
„Es ging niemand vorüber, und nur ein einziger kam und hielt bei mir an, nämlich – – –“
„Der Bakadschi Toma aus Ostromdscha“, fiel ich ihm ins Wort. „Dieser wußte, daß die Aladschy auf ihn warteten. Übrigens hatten sie sich schon in der vorhergehenden Nacht in der Nähe befunden und auch gewußt, das du zwei Pferde besaßest. Sie sind die eigentlichen Urheber des Diebstahls.“
„Das habe ich nun von meinem Bruder erfahren.“
„Hielt Toma nur kurze Zeit bei ihnen an?“
„O nein! Er stieg von seinem Maultier, setzte sich zu ihnen, und sie saßen wohl eine Stunde lang beisammen.“
„Du konntest nicht hören, was sie sagten?“
„Von der Stube aus nicht; aber ich hielt sie für die Diebe meines Pferdes, und ich vermutete Schlimmes von ihnen, weil
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