16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
klägliche Reste meines High-School-Spanisch schlummerten.
Ich wartete, bis die anmutigen zartblauen Zeilen auf der Seite verblasst waren, dann schlug ich das Buch zu und stellte es an seinen Platz im Regal zurück. Ich warf einen halbherzigen Blick auf das Faxgerät, schüttelte aber den Kopf.
» Nein«, sagte ich zu Reginald. » Wenn ich jetzt auch noch die Lebensläufe von Declan und Deirdre Donavan lese, beginne ich zu schielen. Ich werde mir ihre Bewerbungsunterlagen ansehen, sobald ich ein bisschen Schlaf bekommen habe.«
Ich erkannte an Reginalds Ausdruck, dass er mir beipflichtete. Liebevoll kraulte ich ihn noch einmal hinter den Ohren, häufte Asche auf die Glut und ging nach oben.
Als ich ins Bett stieg, schlief Bill, nicht weiter überraschend, tief und fest. Nachdem ich den widerstrebenden Stanley davon überzeugt hatte, mein Kissen freizugeben und sich zu Füßen meines Gatten zusammenzurollen, machte ich mich erleichtert in meiner Betthälfte lang und starrte noch eine Weile an die Decke, während ich mir Tante Dimitys komplexes Drehbuch durch den übermüdeten Kopf gehen ließ. Niemand wusste ihre Schläue mehr zu schätzen als ich, aber mir war noch nie ein Plan zu Ohren gekommen, bei dem so viele Dinge schiefgehen konnten wie bei diesem.
» Nicht den Hauch einer Chance«, murmelte ich. Die rosenfingrige Morgenröte begann bereits den Himmel zu verfärben, als ich endlich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.
6
Bill stimmte mir zu, dass Tante Dimitys Plan voller Tücken war, meinte aber, es sei den Versuch wert. Er war ebenfalls ein großer Fan von Sallys Marmeladen-Doughnuts.
» Wir nehmen Vater im Auto nach St. George mit«, sagte er, als wir uns am nächsten Morgen für den Kirchgang fertig machten.
» Es ist schön heute«, sagte ich, während ich aus dem Schlafzimmerfenster in den wolkenlosen Himmel blickte. » Wahrscheinlich will er lieber zu Fuß gehen.«
» Schönes Wetter hin oder her, er wird mit uns fahren«, meinte Bill trocken. » Wenn wir in Fairworth ankommen, warte ich mit den Jungen im Wagen, während du rasch hineinrennst und Vater den Plan darlegst. Falls er grünes Licht gibt, werden wir den Ball gleich nach dem Gottesdienst beim Friedhofsauflauf ins Rollen bringen.«
Der » Friedhofsauflauf« war Bills nette Umschreibung für die Schar schnatternder Einwohner, die sich jeden Sonntag nach dem Gottesdienst auf dem Friedhof vor der Kirche einfand. Wo immer zwei oder mehr Menschen zusammenstanden, wurde geklatscht und getratscht, also war der » Friedhofsauflauf« die ideale Gelegenheit, unsere Kampagne zu starten, bei der es ausnahmsweise um Desinformation ging.
» Und wenn William uns kein grünes Licht gibt?«, fragte ich.
» Dann können wir nur hoffen, dass er einen besseren Plan hat.« Bill rückte seinen Krawattenknoten zurecht, öffnete die Schlafzimmertür und sagte: » Vámonos, muchacha! Wenn wir hier noch länger herumstehen, kommen die Jungen noch auf die Idee, allein zur Kirche zu fahren.«
Während ich ihm aus dem Schlafzimmer hinausfolgte, probte ich im Geiste schon mal die verkürzte Wiedergabe von Tante Dimitys komplexem Szenario. Eine detaillierte Generalprobe würde dazu führen, dass wir den Gottesdienst verpassten, was wiederum vielfältiges Stirnrunzeln hervorrufen würde, und das wollte ich unter den gegebenen Umständen lieber vermeiden.
Fairworth House leuchtete wie Altgold in der Morgensonne. Declan Donovan, in Khakishorts, einem kurzärmeligen Hemd und abgewetzten Arbeitsstiefeln, ging bereits seinen Pflichten nach. Mit einem Rechen bemühte er sich, den Schaden wiedergutzumachen, den am Vorabend unzählige Fahrzeuge der gekiesten Auffahrt zugefügt hatten. Als wir aus dem Range Rover stiegen, hielt er inne und hob grüßend die Hand. Bill ging mit den Jungen zu ihm, um sie einander vorzustellen, während ich die Eingangsstufen hinauf und in die Eingangshalle flitzte, wo ich auf Willis senior traf, der sich gerade anschickte, das Haus zu verlassen.
» So hastig am Sonntagmorgen«, sagte er und schnalzte mit der Zunge. » Du hast doch mitbekommen, dass die Catering-Krise überstanden ist, oder etwa nicht?«
» Komm bitte mit«, sagte ich, ohne auf seinen Scherz einzugehen. » Ich muss dir etwas sagen, was nicht warten kann.«
Ich führte ihn zu dem Sofa im Salon und schloss die Tür, ehe ich ihm in groben Zügen Tante Dimitys Plan präsentierte, den ich schamlos als den meinen ausgab. Zwar hatte mein Schwiegervater Dimity Westwood zu
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