16 Tante Dimity und das verhexte Haus (Aunt Dimity and the Family Tree)
zuvor.
» Die Sache mit den Schnupftabakdosen und dem Kompass passt zu deiner Diebstahlsthese«, sagte ich, » aber ich sehe keinen Zusammenhang zu der Musik, die Henrique mitten in der Nacht in seinem Schlafzimmer hören konnte, und auch nicht zu dem Gewürzkuchen.«
Muss denn alles in einem Zusammenhang stehen?
Eine gute Frage, auf die ich keine Antwort wusste. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass Tante Dimity die Punkte für mich verknüpfen würde. Stattdessen hatte sie die Schwachstelle meiner Argumentation aufgedeckt.
» Wahrscheinlich nicht.« Ich hatte das Gefühl, als wäre mir der Wind aus den Segeln genommen worden.
Wenn diese Benny-Goodman-Musik überhaupt eine Bedeutung hat, dann wohl eher als Hinweis auf die Unschuld der Donovans. Würden sie darauf abzielen, dass sich William in falscher Sicherheit wiegt, warum sollten sie dann Aufmerksamkeit auf sich lenken, indem sie mitten in der Nacht die Musik aufdrehen?
» Und was ist mit dem Gewürzkuchen? Findest du es nicht auch ein bisschen merkwürdig, dass er so schmeckt, als wäre er nach deinem Rezept gebacken worden?«
Ich habe Gewürzkuchen nicht erfunden, Lori. Es gibt ihn seit dem Mittelalter. Wahrscheinlich sind zahlreiche Menschen in Besitz des gleichen Rezepts, wie ich es hatte.
» Und die Schnupftabakdosen?«, fragte ich zusehends verzagter werdend. » Und der Kompass? Deirdre verschiebt weiterhin Williams Möbel, genau, wie du es vorausgesagt hast. Denkst du auch darüber inzwischen anders?«
Nein. Ich habe sie und ihren Mann nach wie vor in Verdacht, einen Diebstahl zu planen. Und genau deswegen solltest Du Dich nicht von nächtlicher Musik und einem Kuchen ablenken lassen. Konzentriere Dich darauf, Indizien zu sammeln, Lori, oder Du wirst Dich in einem Wust irrelevanter Kleinigkeiten verstricken.
» Aber du hast mir gerade erzählt, dass die Musik mitten in der Nacht auf die Unschuld der Donovans hindeutet.«
Ich möchte mir in Bezug auf die Donovans eine unvoreingenommene Haltung bewahren, was ich von Dir nicht behaupten kann. Während ich es für möglich halte, dass sie ein falsches Spiel spielen, bist Du bereits von ihrer Schuld überzeugt. Deine Voreingenommenheit trübt jedoch Deine Urteilskraft. Wovon wirst Du Dich als Nächstes ablenken lassen? Willst Du mich vielleicht davon überzeugen, dass Declans rotes Haar und das auffällige Muttermal in Deirdres Gesicht Indizien für ihre kriminelle Absicht sind?
» Natürlich nicht«, sagte ich beschämt.
Ich mag ja Deine leidenschaftliche Energie, Lori, aber Du musst lernen, sie Dir zunutze zu machen. Das Unbedeutende vom Bedeutenden zu trennen. Halte Dich nicht mit Nichtigkeiten auf. Konzentriere Dich stattdessen auf Deirdres Fingerfertigkeit in Bezug auf Williams Wertgegenstände.
» Wenigstens war sein geliebtes Buch noch dort, wo er es hingelegt hatte«, murmelte ich.
Welches Buch?
» Notizen zur Schafzucht von Frederick Fairworthy. Das ist das Buch, das ebenfalls aus den Trümmern des alten Stalls geborgen wurde, bevor der wiederaufgebaut wurde.
William hat es mir geliehen, damit ich seine plötzlich erwachte Leidenschaft für die Schafzucht nachvollziehen kann. Und du wirst es nicht glauben, das kann ich jetzt tatsächlich. Ich denke allen Ernstes, es wäre schön, wenn eine Herde Cotswold Lions auf den Weiden von Fairworth grasen würde.«
Sie wären nicht die ersten Cotswold Lions, die dort weiden. Tatsächlich gründete der Reichtum der Fairworthys, wie im Übrigen auch der Wohlstand Englands, auf der Schafzucht. Mehrere Jahrhunderte lang war die Produktion von Wolle der Treibstoff für die englische Wirtschaft. Wusstest Du, dass der Lord Chancellor im House of Lords auf einem mit Schafwolle ausgestopften Sack sitzt?
» Ja, das wusste ich, in der Tat«, sagte ich in selbstgefälligem Ton. » Laut Notizen zur Schafzucht symbolisiert der Wollsack des Lord Chancellor die Bedeutung der Schafe für England.«
Steht in den Notizen zur Schafzucht auch, wie die Schafe Kultur und Landschaft der Cotswolds geprägt haben? Die herrlichen Kirchen, die man in kleinen Städtchen wie Fairford oder Northleach findet, wurden von wohlhabenden Kaufleuten erbaut. Sie waren so stolz auf ihren Beruf, dass sogar ihre Grabsteine bisweilen einem Wollsack ähneln.
» Die Wollsack-Grabsteine.« Ich nickte. » Bill und ich haben welche in Burford gesehen.«
Ja, in Burford gibt es ein paar besonders schöne Exemplare, sie sind Andenken an vergangene Blütezeiten. Als im frühen 19.
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