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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Menschenauflauf. Und dann diese ganzen Männer mit ihren Kameras.»
    Auf sein Zeichen hin setzte der Chauffeur den Wagen in Bewegung. Die Jungen winkten ihnen nach.
    «Alles so schnell vorbei!», sagte Cedric. «Das glauben sie, diese Unschuldsengel. Jetzt geht es doch erst richtig los.»
    «Das alles ist sehr bedauerlich. Äußerst bedauerlich», sagte Harold. «Ich nehme an –»
    Er sah Mr. Wimborne an, der die dünnen Lippen aufeinander presste und angewidert den Kopf schüttelte.
    «Ich hoffe, die Angelegenheit wird in Bälde umfassend geklärt sein», sagte er salbungsvoll. «Die Polizei ist sehr gründlich vorgegangen. Ich kann mich gleichwohl nur Harolds Bemerkung anschließen; das alles ist höchst bedauerlich.»
    Während er das sagte, sah er Lucy an, und seine Miene drückte eindeutig Missbilligung aus. «Wäre diese junge Frau nicht gewesen, und hätte sie nicht herumgeschnüffelt, wo sie nichts zu suchen hatte, dann wäre das alles nicht passiert», sagte sein Blick.
    Genau das oder eine sehr ähnliche Meinung wurde von Harold Crackenthorpe ausgesprochen.
    «Ach, übrigens – ähm – Miss – äh – Eyelesbarrow, warum genau haben Sie überhaupt in diesen Sarkophag geschaut?»
    Lucy hatte sich schon gewundert, warum es so lange dauerte, bis ein Familienmitglied das wissen wollte. Ihr war klar gewesen, dass die Polizei als Allererstes danach fragen würde; überraschend fand sie nur, dass bis jetzt sonst niemand darauf gekommen war.
    Cedric, Emma, Harald und Mr. Wimborne sahen sie an.
    Ihre Antwort hatte sie sich natürlich schon vor geraumer Zeit zurechtgelegt.
    «Nun ja», sagte sie zögernd. «Ich weiß nicht so recht… ich hatte einfach das Gefühl, die Scheune müsste dringend aufgeräumt und sauber gemacht werden. Und dann war da…», sie zögerte, «… dieser eigentümliche und unangenehme Geruch…»
    Sie hatte damit gerechnet, dass alle vor dieser unappetitlichen Vorstellung zurückschrecken würden…
    Mr. Wimborne murmelte: «Ja, ja, natürlich… über drei Wochen, hat der Polizeiarzt gesagt… wissen Sie, ich glaube, wir sollten uns nicht zu eingehend damit beschäftigen.» Er lächelte die kreidebleich gewordene Emma aufmunternd an. «Vergessen Sie nicht», sagte er, «diese unglückselige junge Frau hatte doch mit uns nichts zu tun.»
    «Da wäre ich mir nicht so sicher», sagte Cedric.
    Lucy Eyelesbarrow sah ihn neugierig an. Die auffälligen Unterschiede zwischen den drei Brüdern hatten sie von Anfang an fasziniert. Cedric war ein stattlicher Mann mit wettergegerbtem, markigem Gesicht, strubbeligen schwarzen Haaren und heiterem Wesen. Er war mit Stoppelbart am Flughafen eingetroffen, und obwohl er sich für die gerichtliche Untersuchung rasiert hatte, trug er nach wie vor die Kleidung, in der er angekommen war. Anscheinend hatte er nichts anderes als die alte graue Flanellhose und eine geflickte, fadenscheinige und ausgebeulte Jacke. Ein Bohemien, wie er im Buche stand, und stolz darauf.
    Sein Bruder Harald war im Gegensatz dazu der Inbegriff eines Gentleman aus dem Londoner Bankenviertel, eine Führungskraft in bedeutenden Unternehmen. Er war groß gewachsen und drückte stets das Kreuz durch, hatte schwarze, an den Schläfen sich lichtende Haare und einen schmalen schwarzen Schnurrbart, war tadellos gekleidet und trug einen dunklen, gut sitzenden Anzug mit perlgrauer Krawatte. Er schien, was er war, ein korrekter und erfolgreicher Geschäftsmann.
    Jetzt sagte er eisig:
    «Die Bemerkung hättest du dir sparen können, Cedric.»
    «Warum denn? Die Frau lag schließlich in unserer Scheune. Was hatte sie da zu suchen?»
    Mr. Wimborne hüstelte und sagte:
    «Nun, vielleicht ein – ähm – Rendezvous. Meines Wissens ist allgemein bekannt, dass der Schlüssel draußen an einem Nagel hängt.»
    Seiner Stimme war die Entrüstung angesichts solcher Leichtfertigkeit anzuhören. So deutlich, dass sich Emma rechtfertigen wollte.
    «Das ist im Krieg eingeführt worden. Für die Luftschutzwarte. Damals stand dort ein Spirituskocher, auf dem sie sich Kakao gekocht haben. Und da eigentlich nichts in der Scheune ist, was irgendjemanden interessieren könnte, haben wir den Schlüssel später einfach hängen gelassen. Für die Leute vom Women’s Institute ist das am bequemsten. Würden wir den Schlüssel im Haus aufbewahren, würde das nur Umstände machen – wenn beispielsweise niemand zu Hause ist, um ihn für die Vorbereitung von Veranstaltungen herauszugeben. Wir hatten doch immer nur

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