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16 Uhr 50 ab Paddington

16 Uhr 50 ab Paddington

Titel: 16 Uhr 50 ab Paddington Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Frau erwähnt hatte. Es war ein kleines, sorgfältig versiegeltes Päckchen. Harold setzte sich in seinen angestammten Sessel am Kamin und riss es auf.
    Zum Vorschein kam eine kleine Tablettenschachtel mit der Aufschrift «Abends zwei Tabletten». Daneben lag ein Zettel mit dem Briefkopf des Apothekers von Brackhampton. «Auf Anordnung von Dr. Quimper» stand darauf.
    Harold Crackenthorpe runzelte die Stirn. Er öffnete die Schachtel und inspizierte die Tabletten. Ja, sie sahen genauso aus wie die, die er in Rutherford Hall eingenommen hatte. Aber Quimper hatte doch ganz bestimmt gesagt, er könne sie absetzen. «Sie brauchen die jetzt nicht mehr.» Das waren seine Worte gewesen.
    «Was ist denn, Schatz?», fragte Alice. «Du siehst besorgt aus?»
    «Ach, nichts – es sind nur Tabletten. Die habe ich abends immer genommen. Aber ich bin sicher, der Arzt hat gesagt, ‹die brauchen Sie nicht mehr zu nehmen›.»
    Seine Frau sagte gelassen: «Bestimmt hat er gesagt, ‹vergessen Sie nicht, die zu nehmen›.»
    «Das ist natürlich möglich», sagte Harold unsicher.
    Er sah zu ihr hinüber. Sie beobachtete ihn. Einen Augenblick lang fragte er sich – er dachte nicht oft über Alice nach –, was sie wohl gerade dachte. Ihr sanfter Blick war nichts sagend. Ihre Augen glichen den Fensterhöhlen eines leer stehenden Hauses. Was fühlte Alice, wenn sie an ihn dachte? Hatte sie ihn je geliebt? Er nahm es an. Oder hatte sie ihn nur geheiratet, weil sie glaubte, er hätte es in der City zu etwas gebracht, und weil sie ihre eigene mittellose Existenz satt hatte? Jedenfalls war sie mit ihrer Heirat mehr oder minder gut gefahren. Sie hatte ein Auto und ein Haus in London, sie konnte ins Ausland reisen, wann immer sie wollte, und sich teure Kleider kaufen, obwohl diese weiß Gott an Alice nie nach etwas aussahen. Doch, insgesamt war sie ziemlich gut gefahren. Er fragte sich, ob sie das auch so sah. Sie war von ihm natürlich nicht übermäßig angetan, aber er von ihr ja auch nicht. Sie hatten nichts gemeinsam, weder Interessen noch Erinnerungen. Wenn sie Kinder hätten – aber sie hatten keine Kinder – komisch, dass es in der Familie außer dem Jungen der kleinen Edie keine Kinder gab. Die kleine Edie. Sie war ein törichtes Mädchen gewesen, das eine närrische, übereilte Kriegsheirat eingegangen war. Nun, er hatte ihr damals Bescheid gestoßen.
    Er hatte gesagt: «Das ist ja alles schön und gut, diese flotten, jungen Piloten mit ihrem Mut und ihrem aufregenden Leben und so, aber im Frieden wird er zu nichts nütze sein, weißt du. Er wird dich wahrscheinlich kaum ernähren können.»
    Edie hatte gesagt, das sei ihr egal. Sie liebte Bryan, und Bryan liebte sie, und wahrscheinlich würde er sowieso bald fallen. Warum gönnte Harold ihnen nicht ein kleines bisschen Glück? Welchen Sinn hatte es, an die Zukunft zu denken, wenn sie jeden Moment ausgebombt werden konnten? Außerdem spielte die Zukunft sowieso keine große Rolle, hatte Edie gesagt, denn eines Tages würden sie Großvaters Geld erben.
    Harold rutschte unbehaglich hin und her. Das Testament seines Großvaters war ein Schlag ins Gesicht gewesen! Hatte sie alle zu Marionetten gemacht. Niemand hatte sich darüber freuen können. Die Enkelkinder freuten sich nicht, und ihr Vater war fuchsteufelswild geworden. Der alte Knabe war fest entschlossen, nicht zu sterben. Deshalb war er immer so vorsichtig. Aber bald würde er sterben. Er musste einfach bald sterben. Anderenfalls – Harolds sämtliche Sorgen brandeten wieder über ihn hinweg, und er fühlte sich krank, müde und schwindelig.
    Er merkte, dass Alice ihn nicht aus den Augen gelassen hatte. Er fühlte sich unter ihrem blassen, nachdenklichen Blick unwohl.
    «Ich glaube, ich gehe ins Bett», sagte er. «Das war mein erster Tag in der City.»
    «Ja», sagte Alice, «das ist sicher eine gute Idee. Der Arzt hat bestimmt gesagt, du sollst die Sache langsam angehen lassen.»
    «Das sagen alle Ärzte», sagte Harold.
    «Und vergiss deine Tabletten nicht, Schatz», sagte Alice und reichte ihm die Schachtel.
    Er sagte gute Nacht und ging nach oben. Ja, er brauchte die Tabletten. Es wäre ein Fehler gewesen, sie zu früh abzusetzen. Er steckte zwei davon in den Mund und trank ein Glas Wasser hinterher.

Vierundzwanzigstes Kapitel
     
    « N iemand hätte die Sache so vermasseln können wie ich», sagte Dermot Craddock düster.
    Er saß im überladenen Salon der treuen Florence, wo er etwas fehl am Platz wirkte, und

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