1600 - Willkommen im Hades
hätte. Doch das war hier nicht der Fall. Ich bückte mich sogar, um die Abdrücke besser erkennen zu können, und war wenig begeistert.
Das hier waren keine menschlichen Spuren. Bei den Abdrücken handelte es sich um die eines Tieres, das war deutlich zu sehen.
Ein Tier mit gespreizten Füßen, das seinen Weg auf die Rückseite des Hauses gegangen war.
Warum? Was gab es dort zu suchen? Ich war kein Waldläufer und auch kein Förster, aber beim Anblick dieser Spuren keimte schon das Misstrauen in mir hoch.
Wer hinterließ so etwas?
Mir kam das Bild in den Sinn, das mir mein Freund Bill geschickt hatte.
Die riesige Kreatur hatte auf einem Sockel gehockt. Der war an der Frontseite mit zwei Wesen gespickt, die dem großen Monster ähnelten, und wenn ich mich richtig erinnerte, hatten diese Wesen auch Krallen gehabt.
Die Abdrücke hier glichen Krallen.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich. Hier war etwas Unnormales unterwegs.
Ich richtete mich wieder auf. Ich horchte, und mein Blick glitt dabei in die Runde auf der Suche nach dieser Gestalt, die solche Spuren hinterlassen hatte.
Ich bekam nichts zu sehen. Dabei dachte ich daran, dass dieser Besucher hinter dem Haus verschwunden war.
Den Weg ging ich auch.
Dabei stapfte ich durch den frischen Schnee. Ich sank immer wieder ein, aber daran hatte ich mich inzwischen gewöhnt. An der schmalen Hausseite war ich schnell vorbei. Mein Blick war jetzt frei. Im Hellen hätte mich der Schnee geblendet. So aber konnte ich über den Hang schauen, der sich vor meinen Augen in die Höhe zog.
Nichts war von dem unheimlichen Besucher zu sehen. Beruhigt war ich trotzdem nicht. Es brachte mich auch nicht weiter, wenn ich länger vor dem Haus wartete.
Ich stapfte bis zur Tür und stand im Licht. Ich fand einen Klingelknopf, drückte ihn und hörte im Innern des Hauses eine Glocke anschlagen.
Sehr schnell wurde mir geöffnet. Ein älterer Mann mit grauen Haaren schaute mich an. Er zog seine Augen misstrauisch zusammen.
Ich lächelte ihn höflich an und fragte mit leiser Stimme: »Sind Sie Herr Eichler?«
»Wer will das wissen?«
»Mein Name ist John Sinclair. Ich denke, wir sollten miteinander sprechen, denn…«
»Ja!« Aus dem Hintergrund hörte ich die Frauenstimme, und Sekunden später erschien eine junge, dunkelhaarige Frau, deren Gesichtsausdruck irgendwie erleichtert aussah.
»Sie sind doch gekommen.«
»Ja, das bin ich.«
»Wunderbar. Wir haben Sie bereits erwartet. Kommen Sie rein, Herr Sinclair, bitte. Und du geh mal zur Seite, Vater.«
Das war eine Begrüßung, die ich mir kaum hätte vorstellen können, aber sie gefiel mir.
Ich trat meine Füße auf einem Gitter ab und befreite sie von den Schneeresten. Die Fotografin fasste nach meiner Hand und zog mich in eine sehr behagliche Küche, in der es warm war und nach Kaffee roch, was mir natürlich gefiel.
Ich zog meine lange Jacke aus und nahm das Gehänge mit dem Schwert ab, ohne dass Anna etwas von der Waffe sah. Ich hängte beides an einen Haken an der Wand. Der Kachelofen passte zu der rustikalen Holzeinrichtung. Ich entdeckte zwei kleine Fenster und sah auch die Tannengestecke an den Wänden, die mit künstlichem Schnee bedeckt waren.
Anna Eichler schob mir eine gefüllte Tasse hin. »Das wird Ihnen gut tun, Herr Sinclair.«
»Ach, sagen Sie John.«
»Ich bin Anna.« Die junge Frau sah gelöst aus und schaute zu, wie ich den Kaffee trank, den ich wirklich gebrauchen konnte.
Franz Eichler setzte sich zu seiner Tochter auf die Ofenbank. Er sagte zunächst nichts, schaute mich nur misstrauisch an und fragte nach einer Weile: »Wie haben Sie es geschafft, so schnell von London hierher zu kommen? Können Sie mir das sagen?«
Ich wiegte den Kopf. »Nun ja, das ist eine längere Geschichte. Es sind…«
Anna ließ mich nicht weitersprechen. »Bitte, John, das ist doch unwichtig. Es zählt nur, dass Sie hier sind.«
Franz Eichler lachte auf. »Und ab jetzt wird es uns besser gehen, nicht wahr?«
»Das hoffe ich.«
Eichler winkte ab. »Erst mal sehen.«
»Bitte, Vater, du weißt, was mit Mutter passiert ist. Dass sie im letzten Moment von einer Gestalt gerettet wurde, die sie als Engel angesehen hat. Ich glaube ihr. Sie wurde angegriffen und…«
Ich mischte mich ein. »Der Retter heißt Raniel.«
Jetzt schwiegen beide. Anna nickte. Nach einigen Sekunden fragte sie: »Sie kennen diesen Raniel?«
»Ja, er ist ein Freund. Und er steht auf eurer Seite. Ebenso wie ich. Ihr solltet wirklich Vertrauen
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