1602 - Die Lady aus der Hölle
er dann, »so habe ich das auch nicht gemeint. Ich will nur wissen, ob Sie das Gleiche gesehen haben wie ich.«
»Das denke ich.«
»Was sagen Sie dazu?« Burton traute sich einen Schritt näher. »Bitte, können Sie…?«
»Nein, ich kann Ihnen nichts erklären. Wir müssen es zunächst hinnehmen, das ist alles.«
Burton nickte. Er schien mit Janes Vorschlag einverstanden zu sein, hatte aber noch eine Frage.
»Und was sagen wir der Polizei? Wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen?«
»Das stimmt. Ich werde mich gleich mit den entsprechenden Stellen in Verbindung setzen.«
»Das ist gut.«
»Aber zuvor schaue ich mir den Toten an.«
»Ja, wie Sie wollen.«
Marc Burton blieb an der Tür stehen, während Jane tiefer in das Büro schritt. Ihr Gesicht blieb dabei ausdruckslos.
Nichts regte sich. Sie schaute sich auf dem kurzen Weg mehrmals um, weil sie noch immer damit rechnete, dass die Killerin plötzlich wie aus dem Nichts erschien und den Tod brachte.
Bei dem Gedanken an den Tod stockte sie. Die Frau war der Tod gewesen. Er war diesmal nicht als knöcherner Sensenmann gekommen, sondern in Gestalt dieser eiskalten Person.
Richard Lester lag auf dem Rücken. Es gab keinen normalen Blick mehr in seinen Augen. Dafür sah Jane das viele Blut, das aus der Wunde gequollen war.
Es gab zwei Lachen, die den Körper einrahmten, und Jane nahm jetzt den Geruch wahr. Er hatte den anderen und ihr so fremden abgelöst, den sie beim Betreten des Büros wahrgenommen hatte. Dieser hier war einfach nur eklig, aber er war ihr auch bekannt.
Hatte Lester das verdient?
Jane stellte sich automatisch die Frage. Sie wusste nicht viel über ihn.
Sie hatte mit dem Sicherheitspersonal zusammengearbeitet, doch erfolgreich war sie leider nicht gewesen.
Marc Burton war ihr schließlich doch gefolgt und an ihre Seite getreten.
Er hielt den Blick gesenkt, schaute sich den Toten an und schüttelte den Kopf. Seine Lippen bewegten sich, ohne dass er etwas sagte. Dass er schluckte, sah Jane an den Bewegungen seines Kehlkopfes.
»Wo ist sie hin?«, flüsterte er.
Jane erhob sich aus ihrer gebückten Haltung. »Ich kann es Ihnen nicht sagen, Mr. Burton. Sie können mich auch fragen, woher sie gekommen ist, aber auch darauf bekommen Sie keine Antwort von mir. Es ist mir ein Rätsel, das ich nicht lösen kann.«
Er räusperte sich, bevor er fragte: »Und diese - diese Mörderin? Haben Sie die schon mal gesehen?«
»Nein, Mr. Burton. Sie ist mir heute zum ersten Mal begegnet. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß beim besten Willen nicht, wohin ich sie stecken soll.«
»War sie denn ein Mensch?«
Jane runzelte die Stirn. »Sie sah so aus, das wissen wir beide. Aber kennen Sie einen Menschen, dessen Gesicht zur Hälfte aus Knochen besteht?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
Marc Burton wollte unbedingt auf den Boden der Tatsachen zurück und nichts Unerklärliches gelten lassen. »Könnte es denn sein, dass sich diese Person eine Maske übergestreift hat?«
»Das wäre schön.«
»Sie glauben also nicht daran?«
»So ist es.«
»Und jetzt?«
»Haben wir es mit einem Phänomen zu tun, das wir mit den Gesetzen der Physik nicht erklären können.«
Burton starrte die Detektivin an. Über den Satz musste er nachdenken.
Bis er sich fing und flüsterte: »Dann gibt es für uns kein Begreifen, was diese Tat angeht.«
Jane Collins gab eine ausweichende Antwort. »Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln.«
»Hä? Wie soll ich das denn verstehen?«
»Am besten gar nicht.«
Für Jane stand längst fest, dass sie wieder mal in einen Fall geraten war, der für sie einige Etagen zu hoch war. Allein würde sie ihn nicht lösen können, aber sie wusste bereits, an wen sie sich wenden musste, auch wenn John Sinclair nicht begeistert sein würde, denn Jane hatte erfahren, dass er in seinem letzten Fall wirklich an die Grenzen gegangen war. Und jetzt, in der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr, hatte er einige Tage Urlaub machen wollen.
Den würde er sich abschminken können, das stand für Jane fest.
Ab jetzt galt es, eine Person zu jagen, die in der Lage war, die normalen Gesetze auf den Kopf zu stellen.
Jane hatte nicht vergessen, dass sie so etwas wie zwei Realitäten erlebt hatte. Das musste für sie und John so etwas wie ein Ansatzpunkt sein.
»Was ist denn jetzt mit der Polizei?«
Jane winkte ab. »Keine Sorge, Mr. Burton, die werde ich anrufen. Und dann sehen wir weiter.«
Der Mann starrte sie an.
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