1603 - Der Geistertänzer
geleitet?«
»Nein. Ich wollte erst dir Bescheid geben. Aber ein Phänomen ist es schon. Das musst auch du zugeben, John.«
»Ja, gebe ich.«
»Und wie sehen dann deine Pläne aus?«
»Ich denke, dass ich dieser Isabel Kessler einen Besuch abstatte. Mal sehen, was sie über den Verstorbenen zu erzählen hat.«
»Klasse. Und wenn du etwas herausgefunden hast, gib mir Bescheid. Ich bin über mein Handy zu erreichen.«
»Mach ich doch glatt.«
»Und grüß Glenda und Suko von mir. Ich kann mir vorstellen, dass sie mitgehört haben.«
»Das stimmt!«, rief Glenda verschnupft.
»Dann mal gute Besserung!«, rief Bill. »Wir hören wieder voneinander.«
Das Gespräch war beendet, und ich schaute Glenda und dann Suko an.
»Was sagt ihr dazu?«
Suko nickte. »Bill hat gute Arbeit geleistet, ein Besuch bei dieser Isabel Kessler wäre nicht schlecht.«
»Sie wird schockiert sein«, sagte Glenda mit einer leicht krächzenden Stimme.
»Da muss sie durch«, sagte ich.
Ich versuchte, auf mein Bauchgefühl zu lauschen, aber es kam mir vor, als wäre es nicht vorhanden. Ich hatte den Tänzer zwar mit meinen eigenen Augen gesehen, doch als gefährlich stufte ich ihn nicht ein. Es lag vor allem daran, dass mein Kreuz nicht reagiert hatte.
Möglicherweise war er so etwas wie ein unglücklicher Geist, der sein normales Leben nicht loslassen konnte und einen Weg suchte, um seine Ruhe zu finden.
Wir würden es herausfinden.
Vielleicht erfuhren wir mehr, wenn wir uns mit dieser Isabel Kessler in Verbindung setzten.
***
Paula Ashley nickte. Sie war eine Frau um die fünfzig. Ihr Haar war grau geworden und wuchs recht lang. Sie hatte es sich im Nacken zu einem Knoten gebunden. Durch eine rote Schleife wurde das Grau aufgelockert.
Wer sie sah, der konnte gut und gern behaupten, dass Paula recht gut im Futter stand. An ihr holte sich kein Mann blaue Flecken. Besonders fiel bei ihr die gesunde Gesichtsfarbe auf und die hellen Augen, die immer in Bewegung waren. Wer dann noch ihr Lächeln sah, der musste einfach davon ausgehen, eine sympathische Person vor sich zu haben.
Beide Frauen saßen sich an einem Tisch gegenüber.
Es war ruhig im kleinen Wohnzimmer, dessen Einrichtung an eine Theaterkulisse erinnerte.
Paula hatte alles gesammelt, was man am Theater nicht mehr hatte brauchen können und deshalb ausrangiert worden war. Sogar die beiden Sessel und der Tisch stammten aus dem Fundus. Hinzu kamen Kerzenleuchter und kitschige Engelfiguren, aber auch Bilder an den Wänden, die Fotografien aus dem Theaterleben zeigten. Da hatte sich Paula Ashley nicht nur auf das Ballett beschränkt, es gab auch Fotos von Opernaufführungen. Die Frau lebte eben für das Theater, das sie auch in ihrer privaten Umgebung nicht missen wollte.
Isabel hatte volles Vertrauen zu ihr und ihr deshalb alles erzählt. Es hatte ihr gut getan, es loszuwerden, und Paula hatte gespannt zugehört. Nach dem Nicken übernahm sie das Wort, sodass Isabel einen ersten Kommentar hörte.
»Es muss schlimm für dich gewesen sein, deinen Freund und Partner plötzlich wiederzusehen.«
Die Tänzerin zögerte und gab die Antwort nicht sofort.
»Ich war seltsamerweise nicht so entsetzt. Vielleicht am Anfang, aber dann hatte ich mich daran gewöhnt und mich sogar gefreut. Es ist wirklich wie ein Wunder gewesen, aber ich habe auch meine Probleme damit gehabt. Deshalb bin ich ja bei dir.«
»Wie soll ich dir denn helfen?«
Isabel lächelte müde. »Es ist eine Bitte. Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich die Begegnung nicht vergessen habe. Sie hat in mir etwas geweckt, das ich mit Neugierde umschreiben möchte. Ich weiß ja nicht, ob mich Julius noch mal besuchen wird. Angekündigt hat er es nicht. Aber ich möchte ihn wiedersehen, das habe ich mir vorgenommen. Zumindest soll der Kontakt zu ihm nicht abbrechen.«
»Nur weißt du nicht, wie du ihn herstellen kannst.«
»Genau, Paula. Ich kann mich ja nicht hinstellen und seinen Namen rufen. Deshalb sitze ich hier bei dir. Wir haben uns unterhalten in den Pausen, und du hast mir von deinem Hobby erzählt…«
»Entschuldige, das ist kein Hobby, sondern eine Berufung.«
»Ja, auch das.« Isabel senkte den Kopf. »Ich weiß nur nicht, ob ich zu viel von dir verlange, wenn ich jetzt - na, du weißt schon.«
»Alles klar. Du möchtest, dass ich meine Kräfte einsetze und Kontakt zu Julius aufnehme.«
Isabel nickte verschämt. »Falls das nicht zu viel verlangt ist. Ich meine, wenn du sagst, dass ich verschwinden
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