1605 - Blutnacht - Liebesnacht
etwas sah, das sie überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Das war einmalig, das war so verrückt, dass man es einfach nicht glauben konnte.
Darius hatte seinen Mund geöffnet.
Er zeigte seine Zähne, die völlig normal im Oberkiefer wuchsen - bis auf zwei.
Sie ragten nach unten. Sie waren länger als die anderen und vorn zugespitzt.
Derartige Zähne gab es nur bei einem Vampir!
***
Das war ein Gedanke, der ihr durch den Kopf schoss und sie nicht mehr losließ. Aber er war zu abstrakt, als dass sie sich näher damit beschäftigt hätte. Vampire gab es nicht in der Wirklichkeit. Sie waren ein Produkt der Schriftsteller oder Filmemacher. Hier hatte sich einer einen Spaß gemacht, um sie noch mehr zu erschrecken.
Es war nur seltsam, dass sie sich mit dem letzten Gedanken nicht anfreunden konnte. Sie hatte plötzlich das Gefühl, dass hier ein echter Vampir vor ihr stand. Es lag nicht mal an den Zähne, dass sie so dachte, sondern an etwas anderem.
Niemand konnte sich in einer so dünnen Kleidung länger bei dieser Kälte im Freien aufhalten. Er hätte zumindest eine Reaktion zeigen müssen.
Darius nicht.
Er schien gegen diese Temperaturen unempfindlich zu sein, und das war bei einem normalen Menschen eigentlich unmöglich.
Also doch ein Vampir? Ein echter sogar?
Darius gab ihr die Antwort, nachdem er sie aus seinen dunklen Augen in seinem verzerrten Gesicht eine Weile angestarrt hatte und sie sich wie hypnotisiert fühlte.
»Ich werde dein Blut trinken, Anne. Ich werde dich bis zum letzten Tropfen leer saugen, und ich verspreche dir, dass es mir schmecken wird. Danach wirst du mir eine wunderbare Braut sein. Völlig treu und sehr, sehr ergeben.«
Sie hatte jedes Wort verstanden, aber sie wollte es nicht wahrhaben.
Das konnte, das durfte einfach nicht wahr sein! Ich erlebe einen Albtraum, dachte sie, nur blieb das leider ein Wunsch. Es war kein Traum. Es war die brutale Wirklichkeit, in der sie sich befand und die sie auch nicht mehr loslassen würde.
Die Schmerzen im Rücken waren noch immer vorhanden. Sie spürte auch das Blut auf ihrer Unterlippe. Wenn der Vampir es ebenfalls sah, würde er vielleicht durchdrehen. Er existierte vom Blut der Menschen.
Der Anblick würde seine Gier noch mehr anstacheln.
Anne wunderte sich selbst über die eigenen Gedanken. Sie deuteten darauf hin, dass sie sich bereits mit dem abgefunden hatte, was sie sah, und plötzlich an Vampire glaubte.
Die Gestalt vor ihr zuckte. Dann schnellten die Arme nach vorn und zugleich nach unten. Hände öffneten sich und verwandelten sich in Klauen mit langen Fingern.
Sekunden später wurde Anne in die Höhe gerissen. Wieder drang aus ihrer Kehle ein Schrei.
Es war niemand da, der ihr half. Der Vampir hatte freie Bahn. Und er riss sie an sich wie jemand, der wahnsinnig scharf auf seine Geliebte war.
Er drehte sich mit seiner Beute um. Er stellte sie in die richtige Lage.
Seine Augen funkelten. Aber das sah Anne nicht, weil ihr Kopf von einer Seite zur anderen flog.
Ein Griff sorgte für einen Stillstand.
Er glotzte sie an.
Seine Augen waren nicht weit von denen der Frau entfernt. Dieser Blick versprach alles, nur nichts Gutes. Er fraß sich in die Frau hinein.
Etwas lag darin, was Anne nicht fassen konnte. Sie kam allerdings zu dem Schluss, dass es sich um eine große Gier handeln musste, und diese Gier galt einzig und allein ihrem Blut.
Eine Hand riss den Reißverschluss ihrer innen gefütterten Jacke auf und zerrte den Rollkragen des Pullovers an der linken Halsseite nach unten, um den Hals freizulegen.
Er drückte sie zurück. Sein Griff war hart, und Anne fand nicht mehr die Kraft, sich dagegen aufzulehnen. Der Schlag in den Rücken hatte sie zwar nicht steif werden lassen, aber er behinderte sie doch, und so war es unmöglich für sie, sich zu wehren.
Die linke Hand wanderte höher. Sie strich auch über ihr Gesicht, um sich dann dem Ziel zu nähern. Es war ihr dichtes braunrotes Haar, in das sich die Finger wühlten.
Der nächste Schrei löste sich aus ihrem Mund, als er den Kopf zur Seite zerrte.
Ein Lachen peitschte ihr entgegen. Anne wusste, dass dieses Geräusch so etwas wie ein Startschuss war, der dafür sorgen sollte, dass sie ihr Blut verlor.
Anne sah nicht, wie nahe die Zähne ihrem Hals schon waren. Zwei Sekunden später spürte sie die erste Berührung und danach den Biss.
Ihre Haut riss. Die Ader wurde voll getroffen, sodass das Blut sprudeln konnte.
Und es quoll hinein in den weit aufgerissenen Mund
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